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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Faust ließ nicht nach. Seine Stimme wurde leise und vertraulich. Ich spürte seinen heißen Atem in meinem Ohr.
    »Sie stehen am Scheideweg Ihres Lebens, Mr. Cranmer, Sir. Sie können mit Kriminalinspektor Bryant zusammenarbeiten, und in diesem Fall werden wir über viele, freilich nicht alle Ihrer Missetaten hinwegsehen. Oder Sie können uns weiter zum Narren halten, und in dem Fall werden wir bei unseren Ermittlungen niemanden ausschließen, der Ihnen irgend etwas bedeutet, auch wenn sie noch so jung und musikalisch ist. Habe ich etwa schon wieder unflätige Ausdrücke von Ihnen gehört, Mr. Cranmer, Sir?«
    »Ich habe kein Wort gesagt.«
    »Gut. Denn Ihre Dame ist da nicht so zimperlich, unseren Akten zufolge. Und diese Dame und ich werden in naher Zukunft eine Menge miteinander zu plaudern haben, und ich werde mich dabei sehr anständig benehmen, du kennst mich doch, Oliver.«
    »Und ob«, sagte Luck.
    Bryant drückte noch einmal und gab mich dann frei.
    »Danke, daß Sie nach Bristol gekommen sind, Mr. Cranmer. Falls Sie Ihre Spesen erstattet haben wollen, die bekommen sie unten. In bar.«
    Luck hielt mir die Tür auf. Ich nehme an, er hätte sie mir lieber ins Gesicht geknallt, aber sein englischer Sinn für Fairplay hielt ihn davon ab.
    * **
    Bryants Faustabdruck brannte demütigend auf meiner Schulter, als ich in den grauen Nieselregen hinaustrat und energisch den Weg bergauf in Richtung Clifton einschlug. Ich hatte in zwei Hotels Zimmer gebucht. Das erste war das Eden, vier Sterne, schöne Aussicht auf das Tal. Dort war ich Mr. Timothy Cranmer und Erbe von Onkel Bobs altem Sunbeam, dem Prunkstück des Parkplatzes. Das zweite war das Starcrest, ein schäbiges Motel am anderen Ende der Stadt. Dort war ich ein Mr. Colin Bairstow, Handlungsreisender und Fußgänger.
    Jetzt saß ich in meinem eleganten Zimmer im ersten Stock des Eden mit Blick auf das Tal, bestellte ein Minutensteak und eine halbe Flasche Burgunder und bat die Rezeption, bis zum nächsten Morgen keine Anrufe durchzustellen. Ich warf das Steak ins Gebüsch unter meinem Fenster, goß den Wein ins Waschbecken – bis auf ein kleines Glas, das ich mir genehmigte –, stellte das Tablett und ein Ersatzpaar Schuhe vor die Tür, hängte das »Bitte nicht stören« -Schild an die Klinke, glitt die Feuertreppe zum Nebenausgang hinunter und ging los.
    In einer Telefonzelle wählte ich die Notfallnummer der Firma, Endziffer sieben, da heute Samstag war. Ich hörte die zuckersüße Stimme von Marjorie Pew.
    »Ja, Arthur. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich bin heute nachmittag schon wieder von der Polizei verhört worden.«
    »Ach ja.«
    Du kriegst auch noch ein Ach ja, dachte ich.
    »Die haben die Zahlungen an Absalom über unsere Freunde auf den Kanalinseln aufgespürt«, sagte ich, einen von Larrys zahllosen Decknamen benutzend. Ich stellte mir vor, wie sie Absalom auf ihren Bildschirm tippte. »Haben einen Zusammenhang mit dem Finanzministerium entdeckt und glauben jetzt, ich hätte Regierungsgelder beiseite geschafft und an meinen Komplizen Absalom weitergeleitet. Sind überzeugt davon, daß diese Spur sie auch zu dem russischen Gold führen wird.«
    »Ist das alles?«
    »Nein. Irgendein Idiot von der Gehaltsabteilung hat Mist gebaut. Hat die Absalom-Pipeline zur Bezahlung anderer Freunde als Absalom benutzt.«
    Entweder grinste sie jetzt sarkastisch, oder es hatte ihr die Sprache verschlagen.
    »Ich bleibe heute nacht in Bristol«, sagte ich. »Könnte sein, daß die Polizei es morgen vormittag noch mal mit mir versuchen will.«
    Ich legte auf, Auftrag ausgeführt. Ich hatte sie gewarnt, daß andere Quellen in Gefahr sein könnten. Ich hatte ihr einen Vorwand aufgetischt, warum ich nicht nach Honeybrook zurückfuhr. Zur Polizei laufen und meine Geschichte überprüfen lassen wäre das letzte, was sie tun würde.
    * **
    Colin Bairstows Motelbett war eine klumpige Couch mit einer glitzernden orangefarbenen Steppdecke. Lang darauf ausgestreckt, das Telefon neben mir, starrte ich an die schmutzige cremefarbene Decke und überlegte meinen nächsten Schritt. Von dem Augenblick an, wo ich Bryants telefonische Nachricht in meinem Club erhalten hatte, hatte ich auf höchste Alarmstufe geschaltet. Ich war vom Bahnhof Castle Cary nach Honeybrook gefahren und hatte dort mein Bairstow-Fluchtgepäck abgeholt: Kreditkarten, Führerschein, Geld und Paß, alles stopfte ich in einen abgeschabten Aktenkoffer voller alter Aufkleber, die vom Nomadenleben des

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