Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)
Gefühl ist dumm. Es kann nicht reden, und es verschlägt mir jedes Mal die Sprache.
«Sag mal», sagt Dirk, «sag mal, hörst du mir eigentlich zu?» Ich nicke, obwohl das gelogen ist. Wir sitzen hier und treffen uns noch mal, obwohl schon alles gesagt ist, obwohl es kein
Wir
mehr gibt. Das einzige Mal, dass man jetzt noch
wir
sagen könnte, ist, dass
wir
nicht mehr zusammen sind.
Dann erzählt Dirk, dass er es gerne noch mal versuche würde, ich vielleicht überreagiert habe und es doch nicht schon aus sein kann. In mir drin zieht sich alles zusammen, ich will nicht mehr, ich will das einfach nicht mehr so weiter, diese ständigen Spielchen um Zuneigung und Macht und wer warum wie. Ich will nicht dauernd jemanden auffangen und dabei selbst hinfallen. Dirk sieht mich an, ich kann genau erkennen, dass sich seine Alles-wird-wieder-gut-Miene in Abscheu verkehrt. Er sieht aus wie in Kalkstein gemeißelt, ganz bleich und eisig. «Ich hab’s ja nur versucht», sagt er jetzt im Staccato-Tonfall. «Und außerdem hab ich jemand anders kennengelernt und wollte ja nur sichergehen, dass das mit uns sowieso nichts mehr wird.» Und er ergänzt, dass man doch gehen soll, wenn’s am schönsten ist, und eine Reise nie dann zu Ende ist, wenn man ein Ziel erreicht hat, es gäbe doch so viele andere Menschen auf dieser Welt, ich hätte Besseres verdient. Er hätte jedenfalls etwas Besseres gefunden.
Das Gefühl in mir drin tanzt den Liebesaus-Limbo im Herzrhythmustakt. Ich wiege mich vor und zurück. Er streckt seine Hand aus und legt sie auf meine. Mir wird schlecht. Ich ziehe meine Hand zurück, stehe auf und gehe zur Toilette. Als ich wiederkomme, ist Dirk nicht mehr da.
Ich sitze mir selbst gegenüber, und das heißt eigentlich, dass niemand mir gegenübersitzt. Da habe ich mich mit Dirk getroffen, nur weil er noch mal sprechen wollte, und ich dachte, er würde das wollen, damit jeder von uns besser mit der Trennung klarkommt. Dass er erstens versucht, mich zurückzubekommen, und mir zweitens dann erzählt, er hätte sich nur für seine neue Beziehung absichern wollen, macht mich ratlos. Ich habe versucht, mich nett zu verhalten, habe beim Schlussmachengespräch sogar ehrlich geweint, weil eine Trennung immer schmerzt, und dann so etwas.
Der Aufprall ist am besten, wenn man weich fällt, denke ich und bestelle mir einen Gin Tonic. Dann bestelle ich mir noch einen Gin Tonic. Und dann nehme ich mein Handy und rufe Matthias an. Matthias ist der Mann, der mich ab und zu zum Lachen bringt und mit dem ich, seit Schluss ist, eine Affäre unterhalte.
Dirk ist nicht Matthias. Dirk ist ja auch gerade gegangen. Und ich habe nicht trauernd, vielmehr lauernd auf Dirk gewartet. Nur um zu sehen, was er denn wohl noch zu sagen gehabt hat. Das Gefühl in mir drin hat sich gerade den Fuß verstaucht und sitzt missmutig am Tanzbodenrand. Ha!, denke ich. Hahaha! Hast dir wohl gedacht, dass du jetzt dauerhaft da bist.
Das Gefühl bleibt immer noch sitzen, das wird wohl auch erst mal so bleiben. Ich bin also wieder Single geworden, sage ich in Gedanken zu mir. Das ist das erste Mal, dass es mir richtig bewusst ist. Ich fühle mich miserabel, weil ein Abschnitt mit einem Menschen nun endgültig vorbei ist. Und ich fühle mich im selben Moment groß und stark und unabhängig. Auch mit Matthias. Ich habe ihn mir schon vor längerer Zeit zugelegt, so wie eine zweite Winterjacke, eigentlich nicht nötig, aber schließlich will man ja nicht immer dasselbe anziehen. Habe meine Traurigkeit von Zeit zu Zeit einfach im Schrank hängen lassen, mir Matthias übergeworfen und bin mal ein bisschen leben gegangen.
Ich bestelle den dritten Gin Tonic und ärgere mich ein bisschen, dass mein Fuß eingeschlafen ist. Ich sehe Matthias auf meinen Tisch zugehen. Ich zünde mir eine Zigarette an, und als er mich begrüßt und fragt, wie es mir geht, mache ich die Handbewegung über meine Schulter.
Matthias
«Hey, na? Wie geht’s dir? Is alles okay? Du hast dich länger nicht mehr bei mir gemeldet. Mach mal! :-) Lieben Gruß! Matthias.» Das ist die SMS , die da auf meinem Handydisplay aufleuchtet.
Mit Matthias habe ich inzwischen viele Tage im Bett und einige Nächte in Bars verbracht und dann bemerkt: Er passt nicht zu mir, er passt mir nicht.
Es ist immer entweder das eine: Ich kann mich gut unterhalten, aber der Sex ist wie Fensterputzen – davor denkt man sich, sieht doch gar nicht so schlimm aus, aber ich mach das mal ruhig, hab ja sonst nichts zu tun,
Weitere Kostenlose Bücher