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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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Hitlerismus« bezeichnen denn als »Keynesianismus«. Über den Spätzünder aus London kursieren deshalb seit jeher despektierliche Bemerkungen seiner Kollegen. Joan Violet Robinson, eine Keynes-Anhängerin aus Cambridge, sagte 1971: » Hitler hatte bereits herausgefunden, wie man Arbeitslosigkeit beseitigt, als Keynes noch dabei war zu erklären, warum sie entsteht. «
    Im Vorwort zu seiner » Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes « schrieb Keynes denn auch, er erwarte » weniger Widerstand aus Deutschland als aus England « , seine Ideen für die stärkere Rolle des Staates seien » viel leichter unter den Bedingungen eines totalitären Staates umsetzbar « . Einige seiner heutigen Interpreten gehen sogar davon aus, das Keynes seine » Allgemeine Theorie « deshalb » Allgemein « nannte, weil sie in demokratischen wie totalitären Staaten einsetzbar sei.
    Der Staat erwachte in Folge der Großen Depression aus seinem wirtschaftlichen Dornröschenschlaf und nahm mit einer Vielzahl neuer Institutionen die Koordinierung und Stimulierung des erlahmten Wirtschaftsgeschehens in die Hand. Roosevelt gründete rund 50 neue Ämter und Koordinierungsbehörden, darunter die National Recovery Administration. Hitler ließ neue Reichsämter wie das Reichsamt für Agrarpolitik, das Devisenfahndungsamt und das Reichsamt für Wirtschaftsaufbau entstehen, in denen immer neue Staatskommissare, Sonderbeauftragte und Generalbevollmächtigte ihren Dienst verrichteten. Ein Vier-Jahres-Plan zur Koordinierung der Volkswirtschaft wurde aufgestellt. Die Privatwirtschaft hatte man nicht beseitigt, aber ihre Vorrangstellung gebrochen. Sie war nun der Hund, der auf das Herrchen Hitler zu hören hatte.
    Hitler und Roosevelt waren in vielen ihrer Maßnahmen nicht so originell, wie ihnen die Geschichtsschreibung zunächst unterstellte. Auch das einte sie. Die Konjunkturprogramme für den Autobahnbau in Deutschland und die Staudammprojekte in den USA waren bereits von den Vorgängerregierungen – Hoover und Brüning – ausgearbeitet worden. Die allerdings ließen sie in den Schubladen der Bürokraten liegen. Hitler und Roosevelt brauchten sie nur herauszuziehen und ihre Umsetzung anzuordnen.
    Das taten beide mit großer Verve. Auf allen Feldern schwang nun Vater Staat das große Wort. Er war in den Augen der Bevölkerung durch das Versagen der kapitalistischen Produktionsweise legitimiert. Erstmals rückte nun auch die Verteilungsgerechtigkeit ins Zentrum des politischen Geschehens. Die Nationalsozialisten waren in dieser Hinsicht vor allem Sozialisten. Sie setzten Löhne und Preise fest, machten die erst seit 1924 unabhängige Reichsbank wieder zu einer weisungsgebundenen Behörde. Sie wollten die für den Einzelnen wichtigsten Preise, den Preis für die Arbeitskraft, den Warenpreis im Laden und die Kosten der Kredite, unter politische Kontrolle bringen.
    In Amerika zur selben Zeit das gleiche Bild. Das Gesetz des Stärkeren als Grundgesetz der dortigen Wirtschaftsverfassung wurde nicht länger akzeptiert. Roosevelt ordnete ebenfalls ein Preisdiktat an, verordnete der Wirtschaft Mindestlöhne und unterwarf die Federal Reserve Bank (Fed), die 1913 als Zusammenschluss privater Banken gegründet worden war, der Zentralregierung. Seither und bis heute ist die Fed dazu da, die Politik des jeweiligen Präsidenten zu unterstützen. Preisstabilität ist nur eine ihrer Zielgrößen, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gehört seit jenen Roosevelt-Jahren auch dazu.
    Doch erst einer heiß laufenden Rüstungsproduktion verdankten beide die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung. Auch hier trat Hitler in Vorlage. Er startete sein Aufrüstungsprogramm unverzüglich, kaum hatte er am 30. Januar 1933 in der Berliner Reichskanzlei, Wilhelmstraße 77, Platz genommen. Roosevelt dachte zunächst nicht an Krieg. Mit der Aufrüstung begann er erst im Juni 1940, nachdem Hitler-Deutschland die Nachbarländer Polen und Frankreich überfallen hatte. Die USA der Roosevelt-Jahre waren viel zu sehr mit sich beschäftigt, um an Welteroberung oder auch nur Weltverteidigung zu denken. Hitler war aus Sicht des Weißen Hauses ein politischer Rabauke, aber keine echte Gefahr. Als er eine echte Gefahr geworden war, sah man ihn vor allem als europäische Gefahr, mit der Briten und Russen allein fertig werden sollten.
    Hitler erzielte dank des hemmungslosen Geldeinsatzes bei der Aufrüstung die schnelleren Erfolge als Roosevelt. Der Anteil der

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