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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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Geiste. Beide verkörperten, der eine auf demokratische, der andere auf diktatorische Weise, den Bruch mit dem Kapitalismus, auch wenn Hitler oft fälschlicherweise als » Handlanger der Großindustrie « dargestellt wird. Aber das war er so wenig wie Roosevelt. Zuweilen kooperierten und kollaborierten beide mit den Mächtigen der Wirtschaft, aber das vor allem aus taktischen Gründen. Roosevelt verspottete die Kaste der Händler als » Geldwechsler « , und die Superreichen nannte er die » Prinzen des Vermögens « . Hitler wetterte gegen die » Verwirtschaftlichung der Nation « . Schon in den 20er Jahren vertrat er die Auffassung: » Das Kapital muss Dienerin des Staates werden und nicht die Beherrscherin. « Im Kapitalismus versuche sich das Mittel zum Zweck zu erheben, kritisierte er. In Wahrheit sei aber Wirtschaft » immer eine Zweiterscheinung und keine erste « . Auf dem Reichsparteitag des Jahres 1936 erläuterte er seine These von der » sekundären Rolle der Wirtschaft « , die es nun durchzusetzen gelte: » Wer Jahrhunderte Knecht war, wird nun Herr. «
    Im Vordergrund der beiden Wirtschaftspolitiken stand nicht der Wachstumsgedanke, sondern die Überwindung der Schwankungen, die mit dem bisherigen Wachstum der Volkswirtschaften verbunden waren. Auch Keynes, der 1936 mit seiner » General Theory of Employment, Interest and Money « für Aufsehen sorgte, interessierte sich nicht in erster Linie für die Stimulierung von Wachstumsprozessen, wie heute behauptet wird, sondern für die Beseitigung von Schwankungen. Man sehnte sich damals nicht nach mehr, sondern nach weniger: weniger Ungewissheit, weniger Risiko und weniger Armut. Der Wirtschaftsmaschinerie sollte das Willkürliche ausgetrieben werden. Das wiederum setzte voraus, die quasi religiöse Verehrung des Kapitalismus zu beenden, was Roosevelt und Hitler, aber auch Keynes taten. » Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden « , so stichelte der britische Wirtschaftstheoretiker gegen ein System, das Adam Smith noch angebetet hatte.
    Es war dieser Zeitgeist, der in die Regierungschefs in Berlin und Washington gefahren war und aus ihnen sprach. Das gibt es häufiger im Leben der Staaten, dass der Zeitgeist die Politik mehr verändert als alle Theoretiker und Parteitaktiker, und dass ein Politiker, der den Erfolg sucht, sich dem nur bei Strafe des eigenen Untergangs entziehen kann. So wurde der Marktwirtschaftler George W. Bush im Zuge der Finanzkrise zum großen Bankenverstaatlicher. So wurde Friedensnobelpreisträger Barack Obama – wider seine ursprünglichen Absichten – zum Betreiber des Strafgefangenenlagers Guantanamo und ließ – als sich die Gelegenheit bot – Terroristenführer Osama bin Laden durch einen gezielten Todesschuss und ohne Gerichtsverfahren niederstrecken. Die konservative Angela Merkel, die mit dem Versprechen von weniger Staat in den Wahlkampf gezogen war, setzte das Ende der Atomwirtschaft durch und startete die teuersten Konjunkturprogramme aller Zeiten. Von den 2,05 Billionen Euro deutscher Staatsschuld im Jahr 2012 wurden rund 27 Prozent allein zu ihrer Zeit angehäuft.
    Roosevelt und Hitler war es nicht vorherbestimmt, mit dem Kapitalismus zu brechen. Hitler hatte von Wirtschaft keine Ahnung. Dass er ausgerechnet auf diesem Feld sein Gesellenstück abliefern würde, das ihm später erlaubte, seine teuflischen Pläne umzusetzen, konnte er zunächst nicht ahnen.
    Auch Roosevelt war, als er in New York State als Gouverneur arbeitete, nicht der Roosevelt, der später Weltgeschichte schrieb. Noch in seinem 1932er Wahlkampf propagierte er den schlanken Staat: » Die Reduzierung der Staatsschulden betrachte ich als eines der wichtigsten Themen meines Wahlkampfes. « Seiner Überzeugung nach sei dies der direkteste und wichtigste Beitrag, den eine Regierung gegenüber der Wirtschaft leisten könne.
    Doch das gestern Gesagte zählte in der Stunde der Bewährung nicht mehr viel. Ohne die bedingungslose Adaption an den Zeitgeist wäre keiner von beiden in das jeweils höchste Staatsamt aufgestiegen. Hitler passte seine Rhetorik flugs den neuen Verhältnissen an. Nun giftete der Mann, der sonst lieber vom verlorenen Ersten Weltkrieg, den zu hohen Reparationen des Versailler Vertrages und dem Stolz der gedemütigten Nation sprach, mit gleicher Galligkeit gegen das Wirtschaftssystem. Der Nationalist wurde

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