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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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spätestens jetzt zum Anti-Kapitalisten.
    » Die Erinnerung an die letzten 13 Jahre ist nicht auszulöschen, weil sie das heutige System anklagt, das Millionen um Hab und Gut gebracht hat « , so rief Hitler auf einer Wahlkundgebung vom 20. Juli des Jahres 1932 in Stralsund. Am selben Tag warf er in Kiel den demokratischen Parteien vor: » 13 Jahre haben sie gesündigt gegen unser Volk, 13 Jahre nicht den Wert der Arbeit gekannt, 13 Jahre sich vor der internationalen Hochfinanz gebeugt. « Und drei Tage später in Dresden: Die bis dahin regierenden Parteien hätten dem Land » wirtschaftliches Elend, die Vernichtung aller Finanzen, den Ruin des Bauernstandes, die Auslöschung unseres Mittelstandes, die Überschuldung und Verpfändung und die Millionen Arbeitsloser « gebracht.
    Auch wenn die parteipolitische Zuordnung dieser Missstände als Propaganda bezeichnet werden muss. Die ökonomischen Missstände hatte Hitler richtig beschrieben. Für seinen Antisemitismus allein wäre er von den meisten Deutschen nicht gewählt worden. Für seinen Anti-Kapitalismus aber sehr wohl. Auf dieser Grundlage gründete Hitler dann später das, was Götz Aly als » Gefälligkeitsdiktatur « bezeichnete. Ein nationalsozialistischer Geberstaat entstand, der die Deutschen mit dem Diebesgut aus ehemals jüdischem Besitz, mit kriegerischer Plünderware aus den eroberten Ländereien, mit staatlicher Preisgarantie, staatlichen Freizeitprogrammen und kreditfinanzierten Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie bei Laune hielt.
    Hitler war der Nutznießer der Verhältnisse. Mit der Weltwirtschaftskrise schlug seine Stunde, aus der er dann zwöf lange Jahre machte. Oder andersherum gedacht: Hätten im Deutschland der frühen 30er Jahre Vollbeschäftigung und Geldwertstabilität geherrscht, wäre dieser eigenartige Mann ohne Beruf, ohne Familie, ohne die Fähigkeit, einen versöhnlichen Satz auszusprechen, weiter Postkartenverkäufer und Wirtshausschwadroneur geblieben, und die NS -Uniformen hätten im Kölner Karneval, aber nicht bei Staatsempfängen in Berlin ihre Verwendung gefunden. So aber stieg aus den Trümmern des Bisherigen ein Mann nach oben, der selbst zum Strandgut seiner Zeit gehörte.
    In Amerika arbeitete Roosevelt mit einer anderen Sprache, einer anderen inneren Haltung, aber die Inhalte seiner Krisenbekämpfungspolitik ähnelten denen Hitlers. Auch Roosevelt distanzierte sich von den bestehenden Verhältnissen, erklärte den Kapitalismus für gescheitert. Seine sprachliche Leitfigur war der » vergessene Mann « . Darunter verstand Roosevelt alle, denen die Wirtschaftskrise übel mitgespielt hatte, die Farmer, deren Kaufkraft durch die Deflation vernichtet worden war, die Arbeitslosen der Vorstädte, die nun nicht wussten, wie sie Frau und Kinder durchfüttern sollten, die Mittelständler, die von den Großkonzernen an die Wand gedrückt wurden, die Armen und Kranken, denen damals noch kein Sozialstaat zur Seite stand und die daher froren und hungerten. Roosevelt verglich das Jahr 1932 mit dem Jahr 1917, als die USA in den Ersten Weltkrieg eintraten:
    » Diese unerfreulichen Zeiten rufen danach, die bisher ungenutzten, unorganisierten, aber unerlässlichen Einheiten von wirtschaftlicher Kraft zu aktivieren. Wir brauchen Pläne, wie wir sie zuletzt 1917 geschmiedet haben, die von unten nach oben funktionieren, Pläne, die auf den vergessenen Mann am Ende der ökonomischen Pyramide setzen. «
    Die Wirtschaft wird sekundär – wie sich das Primat der Politik durchsetzt
    Hitler und Roosevelt setzten, kaum im Amt, das Geld des Staates ein, um den erlahmten Wirtschaftskreislauf wieder in Schwung zu bringen. Der eine ließ 3900 Kilometer Autobahnen bauen, der andere 22 Staudämme, 32 See- und Flughäfen errichten. Für Beschäftigungsprogramme setzte Hitler in den Jahren 1933 bis 1936 mehr als fünf Milliarden Reichsmark ein, was rund 80 Prozent des Staatshaushaltes von 1935 entsprach. Roosevelt stellte für seine Infrastrukturmaßnahmen rund 8,6 Milliarden Dollar zur Verfügung, was rund 117 Prozent des Budgets von 1935 entsprach. Die beiden waren Keynesianer, noch bevor Keynes seine große Theorie überhaupt vollendet hatte. Womöglich haben Hitler und Roosevelt den großen britischen Ökonomen mehr beeinflusst als er sie.
    Der Bruch mit der klassischen Theorie war bereits praktische Politik, bevor die Theorie folgte. Womöglich wäre es richtiger, würde man die Nachfragesteuerung durch den Staat eher als »ökonomischen

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