Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
fand sich der ideale Nährboden für die Geburt der Bastardökonomie. Denn Banken und Staat sind sich hier traditionell nahe. Nirgendwo besitzt der Staat einen ähnlich großen Einfluss wie auf dem Immobilienmarkt. Durch die von ihm erlassenen Steuer- und Abschreibungsgesetze, mit Hilfe der öffentlich-rechtlichen Immobilienfinanzierer, dank der Eigenkapitalvorschriften für die Banken und nicht zuletzt durch eine Geldpolitik, die mit dem Zinssatz den Preis für den Hauskredit festlegt, ist der Staat der lebenslange Begleiter, Erzieher und Beschützer aller Immobilienbesitzer. Die Beziehung von Immobilienwirtschaft und Regierung ist stabiler als die meisten Partnerschaften unserer Tage. Es gibt kein Geschäft auf diesem Markt, das der Staat nicht eingefädelt oder gefördert hätte. Auch private Schulden sind nicht so privat, wie sie aussehen.
Die amerikanische Regierung mischt sich in diesen Markt seit jeher noch lebhafter ein, als es die Regierungen in Kontinentaleuropa tun. Denn in den USA – aber auch in Großbritannien – ist die staatliche Hilfe beim Eigenheimerwerb die beliebteste Form der Sozialpolitik. Die Idee ist im Prinzip gar nicht so töricht: Nicht anonyme Sozialbürokratien sollen das Geld der Menschen verwalten, ansparen und auszahlen, sondern der Staat ermuntert und ertüchtigt den Einzelnen, sich ein Haus und damit ein in Stein gemeißeltes Kapitalpolster zuzulegen. Das kann dann verlebt, aber auch beliehen und im Bedarfsfall veräußert werden. Im Idealfall sitzt jeder Bürger auf seiner eigenen kleinen Sparkasse. Der Amerikanische Traum ist auch ein Traum, in dem man wohnen kann.
Die Förderung von Hauseigentum hat nicht nur ökonomische Gründe. Es geht auch um Gesellschaftspolitik. Die Politiker meinen, dass es der Vitalität der Gesellschaft guttut, wenn Menschen nicht Mieter, sondern Eigentümer sind. » Wir als Volk benötigen zu jeder Zeit die Förderung des Hausbesitzes « , sagte Präsident Herbert Hoover 1932. Präsident Bush klang im Oktober 2002, vier Jahre vor dem Platzen der Immobilienblase, so: » Wir können Licht in die Dunkelheit bringen und Hoffnung dahin, wo Verzweiflung herrscht. Die Menschen in die Lage zu versetzen, ihr eigenes Haus zu besitzen, ist ein Beitrag dazu. «
Alle amerikanischen Regierungen seit Hoover haben sich der » Homeowner Society « , der Hauseigentümergesellschaft, verschrieben, mit einem Ergebnis, das durchaus beeindruckend ist: Rund 68 Prozent der amerikanischen Häuser und Wohnungen gehören heute der Familie, die darin wohnt. In Deutschland befinden sich nur 43 Prozent aller Häuser und Wohnungen im Eigentum des Bewohners. In Kanada sind es 67 Prozent, in Großbritannien 69 Prozent, in Irland sogar 83 Prozent.
Amerika bewegte sich, bevor Hoover und dann Roosevelt die Immobilie zum Objekt der Sozialpolitik machten, ungefähr auf dem heutigen deutschen Niveau, bei etwas mehr als 40 Prozent. Doch die Präsidenten der Depressionsjahre suchten nach Wegen, die Wirtschaft anzukurbeln. So wie Otto von Bismarck die Sozialgesetzgebung 1883 in Gang setzte, um die Anfälligkeit der deutschen Arbeiter für die Ideen von Sozialdemokraten und Kommunisten zu vermindern; so wie Maggie Thatcher die Zerschlagung der britischen Gewerkschaften durch eine großzügige Förderung des privaten Immobilienerwerbs abfederte und rund 1,5 Millionen Bewohner von Sozialwohnungen zu Eigentümern machte, so wurde und wird der Hauserwerb in den USA als Teil staatlicher Sozialpolitik angesehen. Wenn ein Politiker Erfolg haben will, dann muss er die Baukelle und ein paar Milliarden Dollar Unterstützungsgeld in die Hand nehmen.
Es sind zwei sehr unterschiedliche Wählergruppen, denen man damit das Herz wärmt. Da sind zum einen die konservativen Wähler im Mittleren Westen der USA . Für die treuesten der Treuen auf Seiten der Republikaner bilden Schusswaffen, Abtreibungsverbot und das Hauseigentum den unverrückbaren Identitätskern. So sehr man in diesen Weiten des Landes auch an die Marktwirtschaft glaubt, das Überleben der Stärkeren befürwortet und den Staat als bürokratisches Monster betrachtet, die Regierung als Förderer von Wohneigentum wird in mildem Licht gesehen. Hier kann man gar nicht genug staatliche Zuneigung bekommen.
Die zweite Wählergruppe, die auf das Recht am eigenen Haus pocht, sieht anders aus, wohnt anders und wählt anders. Es handelt sich hier um die demokratischen Stammwähler in den Arbeiterquartieren der Großstädte und die Minderheiten, die
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