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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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sich in den Zuwanderer-Vierteln von Los Angeles, San Diego, Chicago, Phoenix, Houston und New York drängen. Für sie ist das eigene Haus ein Symbol ihrer Ankunft in Amerika. Wenn es denn eine Gemeinsamkeit von Clinton und Bush junior gab, dann war es ihr politischer Wille, den Anteil der Hausbesitzer zu erhöhen. Die industrielle Kernschmelze der US -Volkswirtschaft hatte sich beschleunigt, die Exportdominanz war verloren, im unteren Einkommensbereich erodierten die Gehälter. Es gab gute Gründe für Republikaner und Demokraten, dem schwindenden Massenwohlstand mit einer Aktivität im Immobilienmarkt zu begegnen.
    Da die Staatsmittel für eine großformatige Förderung des Hauseigentums nicht ausreichten, bot sich die Fremdfinanzierung an. Das Geldverleihen an Menschen ohne Einkommen, das Beseitigen von Hemmnissen auf Seiten der Regulierungsbehörden, das Absenken der Eigenkapitalstandards bei den Banken, das Erfinden und Erlauben » kreativer « Finanzinstrumente, all das wurde staatlicherseits nicht nur zugelassen und erlaubt. Es wurde in den Amtsstuben von Clinton und Bush junior ausgedacht und angeschoben, um es dann bei allen Mitspielern, der US -Notenbank inklusive, mit großer Bestimmtheit durchzusetzen.
    Das Motiv war die Wohlstandsmehrung für breite Schichten, aber schon das Motiv war nicht so lauter, wie es klingt. Denn dieser Wohlstand sollte durch » financial engineering « künstlich erzeugt werden und nicht durch Anstrengung und Verzicht, die beiden traditionellen Wege, Kapital zu bilden. Damit erwiesen sich die, die als Freunde des Wohlstands in die Manege stolzierten, als seine Feinde.
    Wer die Hintergründe für die Hyperspekulation auf dem Immobilienmarkt der USA verstehen will, deren Auswirkungen erst den Finanzsektor kollabieren ließen und dann in Europa eine Schulden- und später eine Währungskrise auslösten, muss zu den Wurzeln der Verwerfungen zurückkehren. Mit einer ideologisch geführten Debatte » Markt contra Staat « , » private Gier contra Gemeinschaftsinteresse « , » Wall Street vs. Main Street « ist nur denen geholfen, die ihr altes Feindbild aus den Trümmern der Mehrfachkrisen unserer Zeit retten wollen.
    Die Wahrheit aber ist: Undurchschaubare Finanzprodukte und eine Horde gieriger Manager wären niemals in der Lage gewesen, ein Erdbeben dieser Stärke auszulösen. Erst das abgestimmte Vorgehen von Finanzwirtschaft und Regierung, jahrelang und quer durch die politischen Parteien praktiziert, besaß diese Durchschlagskraft. Die neuzeitliche Bastardökonomie – halb Markt-, halb Staatswirtschaft – feierte auf dem Immobilienmarkt der USA ihre Premiere.
    Wenn wir in das Jahr 1994 zurückschauen, sehen wir diese hybride Form von Markt- und Staatswirtschaft in ihrem Embryonalstadium. In der Mitte seiner ersten Amtszeit, die kommenden Präsidentschaftswahlen vor Augen, bat Bill Clinton im August 1994 seinen Minister für Haus- und Städtebau, den Einwanderersohn Henry Cisneros, zu sich. Die Zahlen auf dem Häusermarkt sahen nicht gut aus. Der Präsident war in Sorge um seine Wiederwahl. Hatte sich der Prozentsatz jener Häuser, die von ihren Eigentümern bewohnt wurden, in den Jahren 1940 bis 1980 stets erhöht, begann er in den 80er Jahren parallel zur sinkenden Wettbewerbsfähigkeit der USA zu schrumpfen. Vor allem jene Wählergruppen, die Clinton bei seiner Präsidentenwerdung unterstützt hatten, waren unter den Opfern der Entwicklung.
    Zwischen 1980 und 1991 fiel die Zahl der Hauskäufer von einst 44,4 Prozent auf nunmehr 38 Prozent. In derselben Dekade schrumpfte die Zahl der Hausbesitzer mit geringem Einkommen (moderate-income households) um zehn Prozent und der Anteil von Niedrigst-Verdienern (very low-income families) unter den Hauskäufern von 37 auf 29 Prozent.
    Ein ethnisches Element ließ sich aus den Statistiken auch noch herauslesen: Die aus Lateinamerika stammenden » Hispanos « und Amerikaner mit afrikanischen Wurzeln brachten es nur halb so oft zu Hauseigentum wie die weißen Amerikaner. Warum nicht » den Menschen, die einst als Eigentum betrachtet wurden, Eigentum geben? « , fragte Henry Louis Gates jr., Harvardprofessor und Direktor des Instituts für Afrikanische und Afroamerikanische Studien. Für Bill Clinton war es » Zeit zum Handeln « , wie er seinem Wohnungsbauminister unmissverständlich mitteilte.
    Unter dessen Führung entstand nun ein Programm, das mit allen Organisationen, die auf dem Immobilienmarkt etwas zu melden hatten, abgestimmt war.

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