Unsere Claudia
machte es sich dann gemütlich, sie werkelte in der Küche und deckte einen reizenden Abendbrottisch. Die Gabe, es sich gemütlich zu machen, besaßen beide, Mutti und Claudia. Und die wenigen ruhigen Stunden, die sie so für sich allein hatten, genossen sie unbeschreiblich.
Im Januar aber wollten sie nach Eulenstedt fahren und Großmama besuchen! Und bald war Weihnachten, und^ Mutti hatte zwei – nein, in diesem Jahre waren es tatsächlich drei – freie Tage. Am ersten Feiertag blieb Mutti sicher den ganzen Tag im Bett, das tat sie immer, jedes Jahr. Aber am zweiten und dritten Weihnachtstag gingen sie dann spazieren, und sie machten alles in Ruhe, und Mutti durfte faulenzen und sich von den anstrengenden Tagen kurz vorm Fest erholen.
Mutti würde sich bestimmt riesig über Claudias Geschenk freuen, die Kaffeedecke, die sie gestickt hatte. Es hatte sie Mühe und Geduld gekostet, denn Handarbeit war nicht Claudias starke Seite, das stand fest! Es machte doch tausendmal mehr Spaß, spannende Bücher zu lesen, als dazusitzen und mit einer spitzen Sticknadel zu sticheln und mit Fäden, die sich immer verknoteten – oder mit albernen Stricknadeln zu arbeiten und mit Maschen, die viel zu fest an den Nadeln klebten, und Maschen, die herunterfielen – ja, Claudias Handarbeitszensur war immer der einzige dunkle Punkt in einem sonst so glänzenden Zeugnis.
Aber Claudias Busenfreundin Elsa konnte gut Handarbeiten machen, und sie war es auch, die Claudia dazu überredet hatte, die Decke anzufangen, und Elsa hatte ihr geholfen und sie ermuntert – und jetzt lag die Decke fertig gestickt, gewaschen und gebügelt und wohlverpackt in Claudias unterster Kommodenschublade.
Claudia summte vor sich hin und pfiff vor lauter guter Laune, während sie ihre Einkäufe machte und hinterher Kartoffeln schälte. Sie mußte sich heute beeilen, denn Mutti kam schon bald.
Sie machte das Küchenfenster auf und schaute hinunter. Soeben bog ein kleines Auto um die Ecke, ein hübscher kleiner, burgunderroter Zweisitzer. Den kannte Claudia. Er gehörte Herrn Brodersen, dem Leiter der Sportabteilung bei Wederholm. Er fuhr Mutti ab und zu nach Hause. Wie schön, daß Mutti nicht auf die überfüllte Straßenbahn zu warten brauchte!
Das kleine rote Wägelchen hielt, jetzt stieg Mutti aus – aber was bedeutete denn das? Herr Brodersen stieg auch aus dem Auto und schloß es ab. Jetzt nahm er Muttis schwere Tasche – jetzt schritten sie beide zum Aufgang B. Kam er vielleicht mit? Doch hoffentlich nicht etwa zum Mittagessen!
Kurz darauf drehte Mutti den Schlüssel in der Wohnungstür um.
„Hallo, Claudia! Ich habe einen Gast mitgebracht – ich bin gespannt, wieviel Kartoffeln du heute wohl gekocht hast!“
Mutti lächelte über das ganze Gesicht, das rotwangig und jung war.
„O ja – ich habe reichlich gekocht, ich dachte ja, wir wollten morgen Bratkartoffeln essen…“
„Und nun komme ich an und esse dir die Sonntagskartoffeln weg, Claudia“, lachte Herr Brodersen. „Guten Tag, übrigens, du langes Ende – wenn du so weiter wächst, dann muß ich ab Neujahr Sie zu dir sagen!“
„Das wäre ja schrecklich“, lachte Claudia. „Hast du etwas zum Essen mitgebracht, Mutti, oder…“
Mutti und Claudia wollten eigentlich einen Rest gebratenen Fisch vom Donnerstag aufessen, aber da sie nun einen Gast hatten…
„Ja, habe ich! Ausnahmsweise einmal etwas Fertiges, damit es schnell geht. Pack aus, Claudia – und hör mal, schäle doch bitte ein paar Apfelsinen und Bananen, dann mach’ ich schnell einen Obstsalat.“
Muttis Stimme klang so jung und fröhlich, und heute sah sie nicht im geringsten müde aus!
Claudia packte aus; Obst, eine Dose Erbsen und ein Päckchen mit roten, saftigen Scheiben Schinken. Das würde aber mal ein Mittagessen geben!…
Es war nicht das erste Mal, daß Herr Brodersen bei ihnen war. Er hatte hin und wieder Kaffee bei ihnen getrunken, und einmal hatte er Mutti und Claudia ins Kino eingeladen – und wenn es sich gerade so machte, fuhr er Mutti auch nach Hause.
Aber es war das erste Mal, daß Mutti ihn zum Essen mitgebracht hatte.
Claudia wußte eigentlich nicht, ob sie sich freute oder enttäuscht war.
Herr Brodersen war riesig nett. Sie mochte ihn sehr gern. Aber anderseits – sie hatte sich so auf diesen Samstagnachmittag allein mit ihrer Mutter gefreut. Ja, sie freute sich ja eigentlich die ganze Woche auf den Samstag. Aber Herr Brodersen brachte immer Behaglichkeit und Kurzweil mit, das war
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