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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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und zuletzt, wie er im Aufzug, der zu den Parkdecks führt, verschwindet. Von der Statur und den Bewegungen her schien es sich tatsächlich um einen Mann zu handeln. Sein Gesicht bekamen Stella und die anderen jedoch in keiner Einstellung zu sehen.
    «Er hat auf die Kameras geachtet, so konsequent hält keiner den Kopf unten», sagte Kluschke.
    Auf dem Bildschirm fuhr ein Auto an der Schranke vor. Am Steuer saß der Mann mit der Baseballkappe.
    «Ein blauer Volvo», murmelte Stella.
    «Nicht mit Bremer Kennzeichen», warf Saito ein.
    «Er ist nicht bescheuert», antwortete Stella. «Er hat sich neue Nummernschilder besorgt, vielleicht sogar komplett neue Papiere.»
    «Wir haben die Nummer schon gecheckt», sagte Kluschke. «Gefälscht.»
    «Schon das, was wir haben, ist hervorragende Arbeit, Kluschke! Sagen Sie Pettersson das bitte!» Stella wusste, dass längst nicht alle Ermittler über den Tellerrand ihres Spezialgebiets hinausguckten. «Die Prints von den Kameras müssen Mareike Sonntag gezeigt werden. Ich würde sagen, wir stehen vor einem kleinen Durchbruch.»
    «Erst mal müssen wir den Kerl identifizieren», wiegelte Winterstein ab.
    «Ja, das müssen wir, freiwillig melden wird er sich wohl nicht», sagte Stella. In Gedanken fügte sie
du Arschloch
hinzu.
    Sie legte das Foto der Radarfalle aus Oberpöllnitz auf den Tisch und bat Kluschke noch einmal um ein Standbild der Aufnahmen aus dem Internetcafé und dem Parkhaus. Auf keinem der Fotos waren seine Hände zu sehen. Wäre auch zu schön gewesen, dachte Stella, die darauf gehofft hatte, dass die fehlenden Finger auf irgendeiner der Abbildungen ihre Theorie zu Fakten machte. Sie unterdrückte einen Seufzer, legte alle verfügbare Überzeugung in ihre Stimme: «Es ist dieser Mann. Er sitzt im Auto von Lena Zusak. Lena Zusak ist die leibliche Mutter von Josie Sonnleitner.»
    «Wir haben einen Mann in einem Auto, das ihm nicht gehört. Einen Mann, den wir nicht einmal erkennen.» Winterstein verschränkte die Arme vor der Brust. Deutlicher musste er nicht zeigen, wie wenig er Stellas Rückschlüsse anerkennen wollte. Sie musste zugeben, dass es ihr noch an gerichtsfesten Beweisen fehlte. «Und überhaupt, warum bringt er die beiden anderen Mädchen um, wenn er eigentlich an das Kind von dieser Zusak ranwill.»
    «Tania und Celine sind Kollateralschäden», sagte Saito.
    «Miki, bitte. Nicht solche Wörter, es sind zwei siebzehnjährige Mädchen. Aber du hast natürlich recht.» Sie wandte sich wieder Winterstein zu. «Er konnte aus den Akten nicht erkennen, welches das richtige Mädchen ist, er hat sie in irgendeiner Reihenfolge abgearbeitet, und vielleicht wären Celine und Tania noch am Leben, wenn er eine andere gewählt hätte. Er musste nach Josie genauso suchen wie wir, weil die Adoptiveltern ihren Namen geändert haben.»
    Winterstein hob die Achseln. Zustimmung bekundete das nicht, aber er sagte nichts.
    «Aber er hat es am Ende herausgefunden», sagte Saito. «Er verfügt über Kontakte, die ihm Einblick in behördliche Vorgänge verschaffen.»
    «Wir sehen uns alle um siebzehn Uhr zu einem Update wieder hier», wollte Stella die Besprechung beenden. «Ich hoffe, dass wir dann auch erste Ergebnisse von Muthaus und Kronen haben.»
    Ein grauhaariger Mann in der zweiten Reihe räusperte sich und bat ums Wort. Stella hatte ihn nicht wahrgenommen. Er trug einen schlecht sitzenden Anzug aus braunem Cord, der zudem viel zu warm für die Jahreszeit war.
    «Auf Umwegen ist am Freitag eine Anfrage auf meinem Tisch gelandet, die einen Klaus Dieter Welz betrifft.»
    Stella brauchte einen Augenblick, bis sie den Namen zuordnen konnte: Horst Sonnleitner.
    Einige der im Aufbruch begriffenen Beamten setzten sich wieder. Fragende Blicke wurden hin- und hergeworfen. Stella registrierte, dass niemand den Mann zu kennen schien.
    «Darf ich fragen, wer Sie sind?»
    «Roger Stenzel, ich bin Anwalt und vertrete eine Reihe von Stasi-Opfern.»
    «Und wie kommen Sie bitte in diesen Raum?»
    Stella stand die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben, als der Mann es ihr erklärte. Er hatte nach der Hauptkommissarin van Wahden gefragt, war auf einen Stuhl im Flur vor ihrem Büro gesetzt worden und später einfach mit ein paar Leuten in den Konferenzraum gegangen. Da mittlerweile so viele Dienststellen und Fachabteilungen an den Ermittlungen beteiligt waren, hatte sich niemand über ein neues Gesicht gewundert.
    Winterstein schnaubte, konnte seine Genugtuung aber kaum verbergen.

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