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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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an der Bar verabschiedet hatte, war er ihr in die Tiefgarage gefolgt. Er unterschied sich in seinem Äußeren kaum von den Typen, mit denen sie den Geschäftsabschluss gefeiert hatte, aber im Aufzug verfingen sich ihre Blicke, klebten etwas zu lange aneinander.
    Auch ihr Blick. Nicht nur seiner. Sie begriff, dass sie den Mann kannte.
    Er war unvorbereitet gewesen. Wie sollte man sich auf eine solche Situation vorbereiten?
    Hallo, Lena, würde man sagen, du erinnerst dich vielleicht nicht mehr an mich. Ist auch schon lange her, und es war ja nur ein Abend. Du warst weg, am Morgen, und ich wusste nicht mal deinen Namen, Nachnamen, sorry, den Nachnamen nicht und wo du herkamst oder deine Freundin. Die war ganz schön sauer, dass wir beide, na ja, du weißt schon …
    Oder würde man gar nicht darauf zu sprechen kommen? Sie einfach machen lassen. Das war besser.
    Die Typen an der Bar hatten keinen Zweifel aufkommen lassen, dass sie eine Macherin ist. Man musste ihr die Regie überlassen, aber im Aufzug hatte sie ihn nicht angesprochen, sondern die grünen Pfeile angestarrt, die über die Anzeige huschten und zeigten, dass der Aufzug nach unten fuhr. Beim Heraustreten hatte er sie am Arm berührt. Ohne Absicht, ganz bestimmt ohne Absicht.
    All die Jahre hatte er sich gewünscht, wieder eine Frau zu berühren, wie er sie damals berührt hatte, aber es hatte nicht gut geklappt, mit Frauen. Ein paarmal hatte er eine kennengelernt, war mitgegangen, aber in die Hütte hatte er nie eine gelassen. Auf dem Schützenfest vor zwei Jahren hatte er auch eine gehabt, sie hatte hinter der Sektbar auf ihn gewartet.
    Die katholischen Turnfrauen von der DJK waren für die Sektbar zuständig, hinten im Schützenzelt trennten sie eine Ecke ab, hängten rote schummrige Lichterketten auf, der Sekt war meistens süß, er trank nichts davon, er trank nie etwas, und das machte alles so schwierig, er wusste immer am nächsten Tag, was die anderen im Suff angestellt hatten, katholisch war in der Schützenbruderschaft Sankt Sebastian dann nicht mehr viel.
    Sie hatte hinter den Wagen mit den Generatoren für die Kühlung gewartet und einfach den Rock hochgeschoben und sich herumgedreht, und er hatte sie gestoßen, von hinten, aber es hatte nicht geklappt. Er hatte sich geekelt, und sie hatte gelacht und sich am nächsten Tag an nichts mehr erinnert. Das war gut. Am liebsten hätte er ihren Kopf in das Spülbecken für die Gläser gedrückt.
    Er musste immer an die alte Elfe aus der Küche denken und an den kleinen Werner. Dann ging es nicht.
    Als Lena aus dem Aufzug trat, hatte er gar nicht an so etwas gedacht, aber sie hatte ihn angeschrien. Er solle seine Finger von ihr nehmen, dreckige Finger, er habe ihr einmal fast alles vermasselt, sie habe das Kind weggegeben, sein Kind, sein verdammtes Kind, weggegeben. Und geschrien hatte sie immer weiter.
    Da hatte er zugeschlagen.
    Der Schlag war hart. Vielleicht auch nicht so hart, aber der Schlüsselbund in seiner Hand, all die Schlüssel, zur Hütte und zum Büro und zum Apartment und zum Büro der Firma und die von ein paar Objekten, die er in den nächsten Tagen mit Kunden besuchen würde. Die Schlüssel hatten seine Faust so hart gemacht.
    Sie lag da. Die Aufzugtür glitt hin und her, stupste ihre Hüfte auf der einen Seite, den Unterarm auf der anderen an, auf, zu, auf, zu.
    Ein Schlag nur. An der Stirn blutete sie. Keine große Wunde. Ein paar Tropfen nur.
    Er lief weg. Zu seinem Auto. Die Schlüssel, schnell, weg, die aufflammenden Blinklichter, als er den Infrarot-Öffner drückte. Schnell raus, aber vor der Tiefgarage bremste er. Ein Auto hupte, er fuhr an den Straßenrand.
    Sie hatte ihn an der Bar gesehen. Sie konnte den Barmann fragen. Sie würde die Polizei rufen.
    Aber sie fuhr kurz darauf in einem blauen Volvo mit Bremer Kennzeichen ebenfalls aus dem Parkhaus. In der Hand hielt sie ein Papiertaschentuch und drückte es auf die Wunde an der Schläfe. Er folgte ihr bis zu dem Rastplatz, gut, dass er vollgetankt hatte, bis Hannover, dort schlug er sie noch einmal und nahm ihren Wagen. Sie passte gut auf die Ladefläche. Er brachte sie weg. Er wusste nicht, warum.

44
    Stella schaute in die Runde. Das Team war fast vollständig, und sie glaubte die Erfrischung zu spüren, die das Wochenende allen gebracht hatte. Obwohl es nicht nur Montagmorgen, sondern auch erst kurz vor acht war, herrschte fast ausgelassene Stimmung am Konferenztisch. Nur Lorenz Muthaus wirkte verknittert wie eh und

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