Unsichtbare Blicke
hätte kosten können, wenn bei einem möglichen Zugriff eine Schusswaffe ins Spiel kam.
«Jawoll, aber nicht mehr so aktiv, Sie wissen schon, der Job.»
«Dann befinden sich Waffen in seinem Besitz? Bewahrt er seine Waffen zu Hause auf?»
«Warum?», fragte Tschelcher. Zum ersten Mal schlich sich ein kantiger Unterton in seine Worte. «Gibt es Ärger? Seit der Sache in Winnenden, mit der Schule, Sie wissen schon, da haben wir alle noch mal auf die Regeln …»
«Keine Sorge, es gibt keinen Ärger mit den Waffen», beruhigte Stella ihn, worauf Tschelcher sich sichtlich entspannte.
«Herr Wester ist jetzt in der Immobilienbranche tätig?»
Tschelcher nickte, genehmigte sich die zweite Hälfte des Biers. «Bevor es verschalt», zwinkerte er Stella zu. «Ich sag ja, viel Glück hatte der Junge nicht. Die Sache mit den Töpfen ging ja den Bach runter, war ein Problem für den ganzen Ort, zweihundert Arbeitsplätze, das merkt man schon, Arbeitsplätze, Gewerbesteuer. Ich hab ja mit Engelszungen geredet, aber auch als ehemaliger Bürgermeister machst da nichts. Wir sind ja eingemeindet worden. Ab nach Bulgarien sind sie mit der Produktion, und alle standen auf der Straße. Ein paar hatten Glück und ’ne ordentliche Abfindung, aber wer eben gebaut hatte und noch nicht lange dabei war – Pustekuchen. Den David hab ich immerhin in so ein Programm vom Arbeitsamt gedrückt, Computer und so.»
Ein bisschen Einfluss hatte man ja doch, und ohne die Sache mit dem Lehrgang hätte er niemals den Job bei der Immobilienfirma an Land gezogen, betonte Tschelcher, diesen Erfolg schrieb er in erster Linie sich selbst auf die Fahnen.
«Sie haben ein enges Verhältnis zu David Wester?»
«Enges Verhältnis?» Tschelcher brauchte eine Weile, bis er die Frage beantworten konnte. «Ich bin einer, der sich kümmert, wissen Sie, sonst macht man das hier ja nicht. Und als die eigenen Kinder aus dem Haus waren, ich meine, die sind über alle Berge. Einer in Hannover, und die Kleine wohnt fast in Dänemark. Wie die Kinder vom Wester auch, die jüngeren, die Geschwister vom David: Die hat auch nichts gehalten, niemand hält es hier.»
«David Wester, Ihr Verhältnis zu ihm? War es eng?», holte Stella ihn zu ihrer Frage zurück.
«Der David, ich mein, irgendwer muss sich ja ein bisschen um die Leute sorgen, aber ein enges Verhältnis? Ne, das hat keiner zu dem.»
Als Stella sich verabschiedete, forschte der Mann, der seine Augen und seine Finger überall in dieser Gemeinde hatte, nicht nach, was die Kriminalpolizei eigentlich von seinem Schützling wollte.
Miki Saito bog mit dem Dienstwagen um die Ecke.
Tschelcher trat noch einmal an den Lattenzaun heran. Mit einer Hand strich er über eine Stelle, an der ein paar Pinselstriche Holzlack nötig waren. «Wissen Sie, der David konnte fast hier rübergucken all die Jahre. Die Sache hat ihm nachher zu schaffen gemacht, hat er mal gesagt, nach dem Schützenfest, und dass er seine Alten gehasst hat wie die Pest. Das hat einer der Polizei gesteckt, nach der Explosion, aber er hatte mit der Sache nichts zu tun, war ein Unfall, nachgewiesen. Ja, das Heim, wo er drin war, lag drüben in der Zone, nur dreißig Kilometer hinterm eisernen Zaun, stellen Sie sich das vor. Heute können Sie da einfach rüberfahren, Wahnsinn. Heute steht das Ding leer, aber zu DDR -Zeiten war das ein übler Knast, für Kinder, man kann es sich gar nicht vorstellen.»
Stella bat Tschelcher, das Gespräch vertraulich zu behandeln, war sich jedoch sicher, dass sich ihr Besuch so oder so in Windeseile herumsprechen würde. Ihr Entschluss, schnell zu handeln, festigte sich, während Saito sie zu dem Haus am Wald kutschierte.
Sie schauten sich ein bisschen auf dem Grundstück um. Es lag still und verlassen da. Auf den zweiten Blick war es weniger vernachlässigt, als die Bilder mutmaßen ließen. David Wester war augenscheinlich kein begeisterter Gärtner, oder er liebte die wilde Romantik von wuchernden Klettergewächsen und Wiesenblumen, die jeden freien Fleck in der Umzäunung für sich in Anspruch nahmen. Ein langer Gartenschlauch zeugte davon, dass er die Pflanzen wässerte; alle Wege und Durchgänge hatte er frei gehalten. Ein Schuppen schien als Garage zu dienen, durch eine Sichtluke konnte Stella allerdings sehen, dass kein Auto darin stand.
«Es ist nicht unterkellert», murmelte Stella.
Saito nickte. «Alles sehr schlicht, eine Jagdhütte eben und nichts, wo man dauerhaft wohnt.»
«Hat er aber. Spätestens
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