Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg

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bestellt wurde und Monk ihm die Schranke öffnen musste, zwinkerte der fette Kerl ihm zu, sie tranken nach der Konferenz ein Bierchen oder ein paar mehr in dem Haus aus rotem Klinker, das die Firma dem Hausmeister zur Verfügung stellte. Monk schaufelte Kartoffelchips in sich hinein, und sie sprachen von den alten Zeiten.
    Manchmal bot Monk ihm «was Nettes» an, eine Nutte aus der Ukraine oder Koks, «frische Ware, nichts Verdrecktes, beides wirklich sauber», pries sein alter Kumpel die Ware an, und er ekelte sich davor. Vor Monk und vor allem. «Weißte, Tommi», sagte Monk dann, «wir haben das Recht, uns ein bisschen was zu nehmen, sie haben uns keinen Pfennig gezahlt für die Jahre im Bau, keinen Pfennig.»
    Dann hätte er Monk am liebsten die ganze Tüte Chips ins Maul gestopft und die kleinen Bierflaschen mit dem Schnappverschluss hinterher. Aber er beherrschte sich.
    Monk hatte ihm vorgeschlagen, das Auto nach Polen zu verticken oder besser noch in den Nahen Osten. «Wenn die Karre so wenig draufhat, gilt die da als neu, machst ’ne hübsche Mark», hatte er gesagt, wahrscheinlich, weil er selbst eine noch hübschere Mark damit gemacht hätte. Und er hatte gedrängelt, hatte wissen wollen, was das denn sei mit der Karre. «Erst besorg ich dir so ’ne Toparbeit, niemand macht dir so gute Papiere fürn PKW wie der Winni, niemand, sag ich dir, und jetzt willste die Karre im See versenken.»
    Er hatte den See genau ausgesucht. Die Böschung fiel steil ab, fast fünfzehn Meter tief, fast war es schon eine Klippe. Die Wassertiefe betrug bereits zwei Autolängen vom Ufer entfernt fast dreißig Meter, aber am wichtigsten war, dass dort nach mehreren tödlichen Unfällen wegen eisiger Unterströmungen Schwimmen und Tauchen streng verboten worden waren. Dafür nahm er den weiten Weg, den er zurücklegen musste, in Kauf.
    Es war ein schönes Auto, immer noch wie neu, weil er es nur die paarmal benutzt hatte. Keine zwanzigtausend hatte es auf dem Tacho, und er hatte es jedes Mal bis in den letzten Winkel gewienert. Sie würden es in Stücke zerlegen müssen, um auch nur ein winziges Faserchen zu entdecken oder eine Hautschuppe, aber erst einmal müssten sie es finden. Das Wasser hätte dann die letzten Reste von Spuren zunichtegemacht. Er ging auf Nummer sicher.
    Mit einem leisen Surren fuhren die Fenster hinunter; das Wasser sollte schnell eindringen. Das Geräusch klang unverschämt laut in der dunklen Einsamkeit des Seeufers. Wie still es war. Keine Frösche, die quakten; keine Grillen, nichts raschelte in den Büschen und dichten Hecken, die die Sicht zum Forstweg verdeckten.
    Lena hatte die Scheibe einfach hochfahren lassen, als er sie auf dem Rastplatz bei Hannover gestellt hatte. Warum war sie nur so kalt gewesen. Sie hatte gelacht und sich lustig gemacht. Dann hatte sie ihn beschimpft. Wenn er die Finger nicht von der Autoscheibe nehme, würde sie ihm noch ein paar abquetschen, hatte sie gehöhnt. Er hatte die Finger nicht weggenommen, sie waren eingeklemmt worden, aber es hatte nicht weh getan. Ihr erstaunter Blick, als sie die Scheibe wieder hinunterlassen musste, hatte sich ihm eingeprägt. Sie hatte ihn beschimpft, gedroht, nach dem Handy gegriffen und wieder beschimpft. Da hatte er die Tür aufgerissen und wieder zugeschlagen, zweimal, und sie mitgenommen, sie rübergeschoben auf den Beifahrersitz, und sie waren losgefahren. In ihrem Volvo. Sein Auto hatte er später geholt. Es war ein ziemlicher Akt gewesen.
    Er legte den Leerlauf ein und zog die Handbremse an. Nachdem er ausgestiegen war, nahm er den Ziegelstein aus dem Fußraum vor dem Beifahrersitz, legte ihn auf das Gaspedal. Der Motor jaulte auf, jetzt musste er hoffen, dass niemand in der Nähe war, aber davon war auszugehen, wer sollte um drei Uhr nachts in dieser gottverlassenen Gegend herumlaufen. Er löste die Handbremse, das Auto rollte los, nahm langsam Fahrt auf, als er den ersten Gang reinrammte. Die Räder drehten kurz auf dem staubigen Untergrund durch, er lenkte noch ein paar Meter und sprang ab.
    Der Wagen schob sich schnell genug über die Böschung, sackte mit der Schnauze nach vorne. Der Motor senkt ein Auto vorne sofort ab. Nach nur wenigen Sekunden klatschte es aufs Wasser und versank. Alle losen Teile hatte er schon entsorgt. Es würde nichts aufsteigen. Lenas Auto würde auf dem Grund des Sees in mindestens dreißig Metern Tiefe verrotten.
    Vielleicht hätte ich Monk gleich mit der Karre versenken sollen, dachte er.

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    Ich