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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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Rotter ist ein schräger Vogel, aber der macht hier alles, wenn du Stress mit dem Computer hast und solche Sachen.»
    Ich frage lieber nicht, was
solche Sachen
sind, dachte Stella.
    «Und die Mädels brauchen ja auch keinen Ärger, die sind doch eigentlich okay, keine Ahnung, warum die morgens beim Rotter in die Hecken kotzen.»
    «Sie machen eigentlich den Eindruck, als hätten Sie ziemlich viel Ahnung, was die Leute hier so treiben, Kollege», sagte Stella.
    Sie vermied jegliche Betonung auf dem letzten Wort, die Wölke missverstehen konnte. Prompt zog sich wieder das breite Grinsen über die Miene des Polizeiobermeisters.
    «Zum Beispiel fände ich interessant, was Josie jetzt im Moment macht. Vielleicht liegt sie am Baggersee?»
    «Garantiert nicht», platzte es aus Wölke heraus. Er schien die kleine Anspielung in Stellas Worten nicht bemerkt zu haben.
    Sie beendete die Plänkelei und ließ sich von Wölke an ein paar der typischen Orte vorbeikutschieren, an denen sich die Jugendlichen der Gegend normalerweise zusammenrotteten, allerdings ohne Erfolg. Am Ende schlug Wölke vor, bei dem Mädchen, mit dem er sie am Morgen gesehen hatte, vorbeizufahren.
    «Sarah, das ist die Schwester von einem Kumpel, die beiden Mädels sind beste Freundinnen.»
    Wieder musste Stella eine giftige Bemerkung hinunterschlucken, nicht zuletzt, weil sie selbst nicht daran gedacht hatte, nach einer solchen besten Freundin zu fragen. Es hätte ihnen eine Menge Zeit erspart.
    «Sie ist mit ihrer Freundin Josie für zwei Tage nach Köln zur Nelli gefahren», teilte Sarahs Mutter mit, nachdem sie die Polizisten in die Küche geführt hatte.
    Ein intensiver süßlicher Duft schwängerte die Luft in dem ungewöhnlich großen Raum; die Luftfeuchtigkeit tat ein Übriges. Stella rang nach Atem, augenblicklich bildeten sich Schweißperlen auf ihrer Stirn. Sie konnte nachfühlen, warum Frau Trautmann nur eine Kittelschürze trug, obwohl Stella auch erstaunt war, dass es dieses Kleidungsstück in diesem Jahrhundert noch gab.
    Das altbackene Ding stand im Kontrast zu den erstaunlich hochhackigen Schlappen mit Holzabsätzen an den Füßen der Frau. Den breiten Riemen über dem Spann schmückten Margeritenblüten in einem psychedelischen Farbmuster. Sie hatte sich die Haare mit einem Kopftuch nach hinten gebunden.
    Stella bot sie den Ellbogen statt der Hand zur Begrüßung an, weil ihre Finger voller blauschwarzer Fruchtmasse waren, aus der sie gerade Unmengen von Marmelade kochte. «War ich nicht begeistert von, Sie sehen ja, was hier los ist, wir haben Brombeeren dieses Jahr wie blöd, und die Stachelbeeren sind auch so früh dran», stöhnte sie, «aber die Tochter von meiner Schwester hat Karten für ein Konzert von … ach, ich weiß nicht, was die Kinder hören, so ’n junger Schnulli, ein Schluck Wasser in der Kurve, sagt mein Mann immer. Die sind da gestern schon hin und wollen spätestens morgen zurück sein.»
    «Könnten Sie mir die Telefonnummer geben?»
    Frau Trautmann füllte Glas um Glas mit dem heißen Gemisch aus Gelierzucker und Fruchtmasse.
    «Wissen Sie, mir kommt da sonst nix rein, das ist jetzt ja Mode, Chili in die Kirschen und Rosmarin ins Apfelgelee, aber da halt ich nix von, bei mir ist pure Frucht angesagt, und die Leute mögen das, na ja, ich mach jetzt auch auf grüne Tomate, aber ansonsten klassisch, drei Euro datt Glas, läuft super. Nächstes Jahr bauen wir die alte Waschküche aus, und ich melde es als Gewerbe an.» Sie zwinkerte Ludger Wölke zu. «Muss ja alles seine Richtigkeit haben, nich’, Lude?»
    «Die Telefonnummern, Frau Trautmann?», betonte Wölke, der bisher still in der Ecke gestanden hatte.
    «Sag doch Carrie, wie sonst! Carola eigentlich, ich bin doch ein Trampel, hab ich mich gar nicht vorgestellt. Wissen Sie, der Lude hat früher oft mit unserm Markus hier Schmalzstullen gefuttert.» Sie öffnete die Spülmaschine, ein Schwall feuchtwarmer Luft verwandelte die Küche endgültig in eine Sauna. «Hier räum mal fix die Gläser auf das Handtuch», wies sie Wölke an, der prompt gehorchte. Dann wandte sie sich an Stella, die schon erwartete, auch eine Aufgabe im Produktionsprozess der Marmeladenköchin zugeteilt zu bekommen. «Möchten Sie eine? Schmalzstulle? Aus eigener Herstellung.»
    Stella winkte ab.
    «Oder einen Saft? Brombeer? Schorle? Ich bin ja eine schlechte Gastgeberin!» Carola Trautmann drückte Saito den Holzlöffel in die Hand, befahl ihm, schön weiterzurühren, und holte ihren

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