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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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schauen wir weiter.»
    Stella konnte einen tiefen Seufzer nicht unterdrücken. Die Sache entwickelte sich zu einem Kraken, allerdings einem, dem ständig neue Arme wuchsen.
    «Das müssen Leute aus Mainz machen. Sprich mit Winterstein, er soll das in Gang setzen.»
    Saito senkte die Stimme fast bis zu einem Flüstern. «Der nervt unglaublich. Sobald du raus bist, macht er auf Chefermittler und hält sein Gesicht in die Kameras.»
    «Das hat uns noch gefehlt.»
    «Es gibt aber noch eine gute Nachricht.»
    Eine gute Nachricht. Stella war sehr empfänglich für gute Nachrichten. Ein Mädchen im Koma war zwar besser als ein totes Mädchen, aber ein Desaster blieb es alle Male.
    «Sie ist kurz aufgewacht und hat uns die Adresse gesagt?», versuchte Stella zu scherzen. «Oder sie hielt eine Visitenkarte des Täters in der Hand?»
    «Wir haben DNA -Spuren.» Als Stella keinen Mucks von sich gab, fuhr er fort: «Sperma. Und sie hatte tatsächlich etwas in der Hand, oder besser gesagt, um die Finger gewickelt. Ein Kettchen aus Holzperlen, ein bisschen sonderbar, weil sie es um das rechte Handgelenk trug und dann dreimal zwischen den Fingern entlang gewickelt, sagt der holländische Kollege. Es habe ein bisschen an einen Rosenkranz oder eine Gebetskette erinnert.»
    Jemand klopfte auf ihrem Handy an. Stella warf einen schnellen Blick auf das Display. «Gut, sobald du die Ergebnisse der holländischen Kollegen hast, mach eine Abfrage zu der DNA , vielleicht landen wir wirklich einen Glückstreffer, und er ist schon mal irgendwo registriert. Ich muss Schluss machen.» Sie drückte Saito weg und nahm den zweiten Anruf an. «Frau Moll?», begrüßte sie die Frau am anderen Ende.
    «Sie können ruhig weiter Vögelchen zu mir sagen», entgegnete diese. «Welche zuerst? Die gute oder die schlechte?»
    «Nur die Gute.»
    «Ich bin fündig geworden, das war ziemlich easy», zwitscherte Julia Moll los. «Helena Bruckner, geboren am 18 . August 1975 in Worms, heißt jetzt Zusak, verheiratet mit Werner Zusak, wohnhaft in Bremen, Arbeitgeber war die Tridentis Pharmaceutical, ebenfalls Bremen.»
    «Und?»
    «Nun doch die schlechte?»
    Stella schwieg. Wenn die Frau so schnell zu finden gewesen war, konnte das nur eines bedeuten: Helena Bruckner oder Zusak, wie sie jetzt hieß, war aktenkundig; in irgendeiner Polizeieinheit hatte man sich schon mit ihr beschäftigt.
    «Die Frau ist seit zwei Jahren spurlos verschwunden. Die Akte bekomme ich in zwei Stunden per Fax. Soll ich Sie Ihnen irgendwohin schicken?»
    Stella überlegte einen Moment. Dann schüttelte sie den Kopf. «Ich bin hier in Berlin fertig. Ich komme ins Büro.»
    «Soll der Chef eine Kopie bekommen?»
    «Warum das?»
    «Er will von allem eine Kopie. Ich glaube, er vertraut Ihnen nicht.»
    Nur Vögelchen brachte einen solchen Satz so fröhlich und ohne jedes ungute Gefühl hervor, obwohl diese Information ihre Gesprächspartnerin empören würde; zudem war sie auch noch ihrem Vorgesetzten gegenüber zumindest nicht ganz loyal.
    «Legen Sie ihm die Kopie hin», murrte Stella und verabschiedete sich.

37
    Ich lag auf dem Bett. Bei jeder Bewegung stieg Übelkeit in mir auf, und beim ersten Versuch aufzustehen, wurde mir so schwindelig, dass ich sofort zurücksank und eine Weile liegen blieb. Ich wusste nicht, wie lange. Das Gefühl für die Zeit war mir völlig abhandengekommen.
    Mein Kopf dröhnte, es war, als schwappe das Gehirn darin von einer Seite zur anderen. Die Angst krabbelte durch meinen ganzen Körper, ich konnte sie in jeder Faser spüren.
    Wenn er nicht wiederkam, wenn er mich hier alleine ließ?
    Durst, Durst!, hallte es durch meinen Kopf, aber im nächsten Augenblick löste Vernunft die Panikattacken ab, ohne jede Vorwarnung, wie heiße und kalte Aufgüsse.
    Drei bis vier Tage hielt ein Mensch unter normalen Umständen ohne Wasser durch. Wir hatten es im vorigen Jahr in Biologie durchgenommen. Es dauerte nicht sehr lange, und die Zellen mussten ihre Wasserreserven abgeben, um die Gifte im Körper auszugleichen, das Gehirn bestand zu fünfundachtzig Prozent aus Wasser, es funktionierte nicht ohne, deswegen bekam man Halluzinationen, dann machte die Niere schlapp. Warum schwitzten meine Hände, es war nicht warm, im Gegenteil, ich mummelte mich in eine Decke, und trotzdem war mir kalt, und die Hände schwitzten, er lässt dich hier eingehen, er lässt dich verdursten, wann war er zum letzten Mal hier?
    «Josie, hör auf», flüsterte ich und wiederholte es immer wieder,

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