Unsichtbare Kräfte
Gang sind, werden voraussichtlich niedergeschlagen werden.«
»Das wäre wirklich zu begrüßen, Herr Oberst. Jedenfalls dürfte dann wohl auch die Schwester des Kapitäns Wildrake entlassen werden?«
Oberst Rodriguez machte ein zweifelndes Gesicht. »Das möchte ich nicht ohne weiteres annehmen, Winterloo. Ich will mich darüber nicht weiter äußern. Jedenfalls habe ich für diese Gefangene wenig Hoffnung. - Sie müssen immerhin damit rechnen, Herr Hauptmann, daß Sie eventuell noch den Dienst bis morgen versehen müssen, bis Ihre Ablösung, Major Tejo, kommt. Haben Sie bestimmte Urlaubspläne?«
Der Oberst wandte sich schon zum Gehen, achtete kaum darauf, daß Winterloo eine Antwort vermied. —
Das letztemal heute? In Gedanken versunken, schritt Oswald Winterloo durch die langen Gefängnisgänge. Die letzte Revision heute ...
Das Rasseln des gewaltigen Schlüsselbundes, mit dem der Wärter aus seiner Stube trat, schreckte ihn auf. Stumm schritt er hinter ihm drein.
Dann klirrte das Schloß der Zelle Nr. 17. Die Gefangene stand da, als hätte sie schon auf Winterloos Kommen gewartet.
Edna Wildrake reichte dem Hauptmann die Hand. »Vielen Dank, Mr. Winterloo! Das Zeitungsblatt, das Sie gestern ...«
Eine abwehrende Geste. »Nicht darüber sprechen! Sie kennen doch die Instruktionen!«
»Oh, wenn Sie wüßten, wie glücklich ich seit gestern bin! Der Waffenstillstand - die Rettung meines Bruders! Und«, setzte sie mit leiser Stimme hinzu, »immer werde ich des Mannes gedenken, der mir diesen Trost zukommen ließ.«
»Fast möchte ich’s bedauern, Fräulein Wildrake ...«
»Mein Bruder Robert? Was ist? Betrifft’s ihn, Mr. Winterloo?« Sie trat in jähem Erschrecken einen Schritt zurück.
»Nein! Nein - ihn nicht! Er ist schon in Sicherheit. Es betrifft Sie selbst! Ich weiß nicht - noch gebe ich selbst alle Hoffnung auf - aber ich fürchte, daß Ihre Freilassung, selbst wenn der Friede geschlossen wird, wahrscheinlich noch in weiter Ferne steht. Der Prozeß ...«
Edna richtete sich hoch auf. »Der Prozeß? Man soll ihn mir machen! Ich bin schuldlos. Ich möchte den Ankläger sehen, der mir auch nur die Spur eines Vergehens nachweisen könnte. Die teuflische Rachsucht eines Elenden hat mich hierhergebracht!«
»Ich will nicht fragen, gnädiges Fräulein, auf wen Ihre Worte gemünzt sind. Doch ich bin leider genötigt, Ihnen eine Mitteilung zu machen, die ich Ihnen gern erspart hätte.« Seine Stimme dämpfte sich zu leisem Flüstern. »Ich bin von morgen ab meines Postens enthoben. Und mein Nachfolger ...«
»Sie gehen fort? Morgen schon? Für immer, Hauptmann Winterloo?« Edna war auf ihn zugetreten. Dann, wie über sich selbst erschrocken, wandte sie sich zur Seite.
In Winterloos Augen blitzte es auf. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt. Mehrmals setzte er zum Sprechen an.
Die nahenden Schritte des Wärters zwangen ihn zum Handeln. Er legte Edna leise die Hand auf die Schulter. »Mein Nachfolger wird Major Tejo sein, Fräulein Wildrake!«
Bei der Nennung des Namens zuckte das Mädchen zusammen. Dann reichte sie ihm die Hand. »Der Schließer kommt - Sie müssen gehen!«
»Leben Sie wohl, Fräulein Wildrake!«
*
Eine leichte Schneedecke lag über der norddeutschen Tiefebene. Ein Schlitten, von der polnischen Grenze kommend, näherte sich dem Grenzübergang, hielt vor dem geschlossenen Schlagbaum. Ein Offizier trat aus dem Grenzhaus. Als er die beiden Insassen des Schlittens erkannte, kam er rasch herbei.
»Ah, die Herrschaften aus Dobra. Ich begrüße Sie, gnädiges Fräulein, und Sie Herr Harrach. Eine Schlittenpartie zum Erbonkel in Winterloo?«
»Eine Schlittenpartie? Ja! Nach Winterloo auch! Erbonkel - fraglich!« gab Adeline Harrach dem Offizier mit vertraulichem Lächeln zurück. »Hoffentlich macht man uns heute abend keine Schwierigkeiten! Oder sind Sie selbst da, Herr Oberleutnant? Wir werden voraussichtlich erst spät zurückkommen.«
»Mein Dienst dauert bis morgen, Gnädigste! Und - Schwierigkeiten unseren Freunden? Nein!«
Er winkte den Fortfahrenden, die eben den deutschen Schlagbaum passierten, einen Gruß nach.
»Wenn ich sehe, Adeline, wie bequem und leicht uns von beiden Seiten der Grenzübergang gemacht ist - die deutschen Grenzbeamten nehmen auf uns Rücksicht, weil wir einen deutschen Namen tragen und der Freiherr von Winterloo unser Onkel ist - die Polen halten uns für ihre besten Freunde und behandeln uns als solche -, kommt mir der Vorschlag dieses Warschauer
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