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Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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Individuums gar nicht so uneben vor. Wir sind gezwungen, stets Wagen und Schlitten zu benutzen und könnten in der Tat mit Leichtigkeit allerhand kostbare Schmuggelware über die Grenze bringen. Der Kerl versprach ja hohe Gewinne. Und wenn ich mir klarmache, welche Mühe ich gestern wieder hatte, mit ein paar verlängerten Wechseln die Danziger Gläubiger zu befriedigen, möchte ich wahrhaftig den Gedanken nicht so unbedingt von der Hand weisen. Der Jahresschluß - die Hypothekenzinsen -! Adeline, wahrhaftig: Wenn Onkel Winterloo nicht bald stirbt, wird mir nichts anderes übrigbleiben!«
    »Beruhige dich, Franz! Ich glaube nicht, daß der Onkel noch lange lebt. Morawsky kam doch extra gestern abend von Winterloo ‘rüber nach Dobra. Dem Onkel geht’s plötzlich schlecht. Glaubst du etwa, ich machte die stundenlange Fahrt heute nur zum Vergnügen?«
    »Du hoffst zu stark auf die Winterloosche Erbschaft, Adeline! Ich teile deine Zuversicht nicht. Daß der Onkel nicht unser Freund ist, weißt du selbst. Ich glaube auch, er hat uns längst durchschaut - und wenn nicht er, so dieser Dr. Arvelin. Wenn ihm dieser Alte auch noch eingeredet hat, ein Testament zu machen, dann adieu, Erbschaft!«
    »Du bist ein Pessimist, Franz! Das eine weiß ich bestimmt: Weder bei seinem Notar noch auf dem Gericht ist ein Testament von ihm deponiert. Hat er etwa eins im Hause, in seinem Schreibtisch - nun, du kennst ja den Schreibtisch genau, hast auch den Schlüssel dazu!«
    »Du hast recht, Adeline! Dein kühler Kopf ist nie um einen Ausweg verlegen. Immerhin wäre es wünschenswert gewesen, wenn diesen Droste bei einer seiner Fahrten der Teufel geholt hätte. Du kannst sicher sein, daß er nicht leer ausgehen wird, wenn der Onkel die Augen zugetan hat.«
    »Gewiß! Doch warten wir ab!«
    Der Schlitten hielt vorm Portal von Schloß Winterloo. Der alte Diener des Freiherrn war den beiden beim Aussteigen behilflich, wollte sie nach oben geleiten.
    »Bleibe nur, Friedrich! Wir finden den Weg allein!«
    Das Turmgemach war leer. Franz Harrach wollte auf die Tür des Laboratoriums zuschreiten, da hielt ihn seine Schwester am Arm zurück. Durch die schlecht geschlossene Tür hörte man die Stimmen der beiden Freunde. Die Ankömmlinge lauschten gespannt. Was sprachen die da drinnen?
    »Die Nachrichten aus Brasilien klingen bei näherer Betrachtung doch ganz tröstlich, Arvelin! Es steht fest, daß der Winterloosche Zweig unserer Familie da drüben noch existiert. Weniger angenehm ist die Tatsache, daß diese Winterloos vor einigen Jahren ihren Wohnsitz nach Venezuela verlegten. Unter den unerfreulichen Kriegsverhältnissen dort unten dürfte es ihnen unter Umständen sehr schlecht gegangen sein. In den Internierungslagern sind ja viele Gefangene aus Mangel an Pflege gestorben. Jedenfalls werde ich mich morgen sofort an die Gesandtschaft von Venezuela in Berlin wenden. Vielleicht, daß man mit ihrer Hilfe Näheres erfährt. Augenscheinlich hat das einzige noch lebende männliche Mitglied dieser Familie, Oswald Winterloo, auf brasilianischer Seite am Krieg teilgenommen. Über sein Schicksal war sonderbarerweise nichts Bestimmtes zu ermitteln. Ich würde ruhiger sterben, wenn ich wüßte, daß ein Winterloo unseren Namen hier auf dem Schloß weiterführen wird. Ich fühle mich seit gestern abend wieder so elend, daß ich lieber heute als morgen mein Testament machen möchte.«
    Arvelins Antwort war so leise, daß die Geschwister nichts verstanden.
    Dann begann der Freiherr wieder zu sprechen. »Um so mehr freue ich mich, daß Medardus heute kommen wird. Über sein Erbe besteht ja kein Zweifel. Ihm mache ich meine Erfindung jetzt zum Geschenk. Mag er damit tun, was er will! Wahrscheinlich wird er nun darangehen, seine eigene Erfindung in die Wirklichkeit umzusetzen.«
    »Möglich«, sagte Arvelin. »Die Mittel ständen ja zu seiner Verfügung. Wenn er das Geschenk zu Geld macht, könnte er in Millionen wühlen. Doch ich bin mir nicht ganz sicher, ob Medardus das tut.«
    Bei den Worten »Geschenk« und »Millionen« sahen sich die Geschwister erblaßt an. Was war das für ein Geschenk, das Millionen wert sein sollte? Und wozu das Recherchieren in Brasilien nach irgendwelchen Verwandten?
    »Es ist Zeit, uns zum Empfang bereitzumachen«, klang jetzt die Stimme Arvelins. »Der Schlitten, der die beiden vom Zuge abholt, wird schnell hier sein.«
    Das nahende Geräusch von Schritten brachte den Geschwistern das Bedenkliche ihrer Lage zum Bewußtsein.

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