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Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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ging dann zu Winterloo, reichte ihm die Hand.
    »Tausend Dank! Morgen früh geht’s nach Finnland, den Kiel unseres Schiffes zu legen! Von Truxton & Co. ist das Nötigste schon telefonisch vorbereitet.«
    *
    Ein dumpfer Druck lastete auf Venezuela. Sofort nach Bekanntgabe des Waffenstillstandes hatte die Regierung den Belagerungszustand über das Land verhängt. Schon die Bedingungen des Waffenstillstandes waren geeignet, in den südlichen Teilen des Landes, die bisher unter dem Krieg weniger gelitten, schwere Unruhen hervorzurufen.
    Auch über den Gang der Friedensverhandlungen, die inzwischen in Manaos begonnen hatten, drangen vom Ausland her höchst beunruhigende Berichte in das Volk. Die beabsichtigte Errichtung eines autonomen Staates zwischen der bisherigen brasilianisch-venezolanischen Grenze im Süden und dem Ventuarifluß im Norden konnte nur als kümmerliche Verschleierung des wahren Tatbestandes, nämlich als eine versteckte Annexion dieses Landes durch die brasilianische Union, gedeutet werden.
    Über den Ausgang der Friedensverhandlungen blieb kaum ein Zweifel möglich. Trotzdem wäre es einer energischen Führung möglich gewesen, den Kampf mit einer Aussicht auf bessere Friedensbedingungen noch eine Zeitlang fortzusetzen. Aber in der Regierung der Nation fehlten zielbewußte, tatkräftige Köpfe. Dem inneren und äußeren Zwang folgend, glaubte die schwache Regierung, Frieden schließen zu müssen. Um allen Eventualitäten vorzubeugen, hatte sie den Belagerungszustand verhängt; und das war wohl berechtigt, denn ein Sturm der Entrüstung drohte die derzeitigen Machthaber hinwegzufegen, als Näheres über die brasilianischen Ansprüche bekannt wurde.
    *
    Als Hauptmann Winterloo von seiner letzten Dienststunde nach Hause kam, fand er zwei inhaltsschwere Schreiben vor.
    Das eine, das ihm die Ablösung von seinem Posten bekanntgab und gleichzeitig seine Verabschiedung mitteilte. So würde er jetzt die Uniform mit der Robe vertauschen, seinen Platz als Juniorpartner in der alten Anwaltsfirma Lourenco & Morales in Rio de Janeiro wieder einnehmen.
    Der zweite Brief war ein Schreiben seiner Mutter aus Venezuela. Nach dem Tode ihres Gatten war sie vor vier Jahren in ihr Vaterland Venezuela zurückgekehrt.
    Die Mutter teilte ihm mit, daß sie den langjährigen Bewerbungen des Nachbars Lerdo de Tejada nachgegeben habe und ihn demnächst heiraten würde.
    Unbegreiflich! Diesen Mann wollte die Mutter heiraten! Ein hochmütiger Hidalgo - so verschuldet, daß er sicher nur daran dachte, durch diese Ehe seine zerrütteten Finanzen aufzubessern.
    Grübelnd schritt er im Zimmer hin und her. Der Brief war, nach dem Datum zu urteilen, schon vor mehreren Wochen geschrieben. Infolge der schwierigen Verkehrsverhältnisse hatte er so lange Zeit gebraucht, um seinen Bestimmungsort zu erreichen.
    Vielleicht war die Heirat doch noch nicht geschlossen? Wenn er nur rechtzeitig hinkäme! Er kannte seine Mutter zur Genüge. Sie war schwach, leicht zu beeinflussen. Wahrscheinlich würde es ihm gelingen, sie von dem unverantwortlichen Schritt zurückzuhalten.
    Er griff zur Zeitung. Am nächsten Abend fuhr ein Dampfer von Sao Salvador nach Jamaica. Der lief sicher Georgetown an. Von dort mit einem gecharterten Flugzeug über Caracas und Bolivar nach Esmeraldo in Venezuela. In spätestens vier Tagen konnte er in Cuautla sein.
    Kurz entschlossen kleidete er sich um und fuhr zum Hafen. Mit Mühe gelang es ihm, noch einen Platz zu belegen.
    Als er den Uferkai entlangschlenderte, geriet er in eine Schar von Hafenarbeitern, die nach Beendigung ihrer Schicht zur Stadt zurückströmten. Er trat auf den Fahrdamm, um besser ausweichen zu können. Da sah er, wie zwei Leute, der Kleidung nach auch Hafenarbeiter, vom Bürgersteig heruntertraten.
    Der eine von ihnen trug anscheinend ein schweres Bündel auf der Schulter. Er blieb stehen, steckte seine Pfeife in den Mund und ließ sich von dem anderen Feuer geben. Der hielt das brennende Streichholz an die Pfeife, während der erste kräftig am Mundstück sog. Bei dem hellen Schein des aufflakkernden Zündholzes sah Winterloo im Vorbeigehen in ein Gesicht, dessen Züge ihm irgendwie bekannt schienen. Während er noch darüber nachsann, hörte er aus dem Munde des Mannes die spanischen Worte: »Muchas gracias, amigo«, mit denen er sich bedankte.
    Unwillkürlich verhielt Winterloo den Schritt. Spanische Worte in Brasilien waren gewiß keine Seltenheit. Doch hier erleuchteten sie blitzschnell das

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