Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
kein Dichter und auch kein Poet, auch wenn er viele seiner Gedanken in unzähligen Tagebüchern niedergeschrieben hatte. Manche davon schön, die meisten davon jedoch traurig, melancholisch, düster, depressiv. » Sie sind nicht der Rosen- oder Tulpentyp, Lilien passen viel besser zu Ihnen. Aber Sie wissen ja, Vorsicht mit dem Blütenstaub, den kriegt man nicht mehr aus den Klamotten raus. «
    » Ich weiß, ich bin auch ganz, ganz vorsichtig. Wissen Sie, woran ich bei Lilien immer denken muss? Nein, bestimmt erraten Sie ’ s nicht. «
    Butcher machte ein fragendes Gesicht und zuckte mit den Schultern. » Ich hoffe nicht an Friedhof und Begräbnis, es sind schließlich keine weißen Lilien. «
    » Nein, aber Sie sind gar nicht so weit entfernt. Es hat etwas mit der Bibel zu tun, und die wird ja in der Regel auch bei einer Beerdigung benutzt. Um Himmels willen, ich trete jetzt hoffentlich nicht in ein Fettnäpfchen, denn ich wollte alles, aber nicht über Religion sprechen, die Bibel ist nur ein Hobby von mir, müssen Sie wissen. Ich studiere sie seit vielen Jahren, mache mir Notizen und stelle mir Fragen, ob das alles so stimmen kann und so weiter. «
    Butcher lächelte vergebend und runzelte die Stirn, was er äußerst selten tat. » Das hört sich ja gerade so an, als wollten Sie sich dafür entschuldigen. Ich finde es großartig, wenn Menschen sich heute noch mit spirituellen Dingen auseinander setzen. Soll ich Ihnen etwas verraten? Ich habe die Bibel auch schon mehrfach gelesen, und ich meine, wenn Sie mich so fragen, die Antwort zu kennen. Im Neuen Testament steht etwas von den Lilien auf dem Feld und dass Salomos Kleider nicht so schön waren wie eine von ihnen. Ist es das, was Sie meinen? «
    » Du meine Güte «, rief sie freudig überrascht aus, » das hätte ich nun nicht erwartet. «
    » Ich interessiere mich für Literatur insgesamt. Ich lese viel lieber, als vor dem Fernseher zu hocken. Auch die Bibel, obwohl ich mich nicht unbedingt als gläubig bezeichnen würde. «
    » Ich gehe auch nicht in die Kirche, ich weiß aber … Wollen wir hier vielleicht im Flur stehen bleiben? Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit, gehen Sie doch schon mal vor ins Wohnzimmer. Dort ist alles vorbereitet, ich muss nur noch das Essen holen. Oder wollen wir vorher einen Aperitif zu uns nehmen? «
    » Gerne, aber denken Sie dran, ich muss noch fahren. Und als Polizist mit Alkohol am Steuer, da wäre ich ein ziemlich schlechtes Vorbild. Es duftet übrigens ganz herrlich. Was ist das? «
    » Lassen Sie sich überraschen. «
    Sie schenkte ein und stieß mit ihm an. Das Zimmer sah heute noch schöner aus als gestern, und Carina gefiel ihm auch noch einen Tick besser. Sie hatte sich hübsch gemacht. Sie trug ein bis über die Knie fallendes Sommerkleid, das ihre Figur betonte, war dezent geschminkt, und wie schon gestern fühlte er sich auch heute auf Anhieb wohl in ihrer Nähe, etwas, das er bei noch keiner Frau gespürt hatte, nicht einmal damals, als er Monika kennen lernte.
    » So, ich hole das Essen, und Sie rühren sich nicht von der Stelle. «
    Sie wollte bereits in der Küche verschwinden, als Butcher sagte: » Verzeihen Sie, aber hätten Sie vielleicht einen Flaschenöffner? Wir sollten den Wein ein paar Minuten ziehen lassen, damit er sein volles Bouquet entfalten kann. «
    » Natürlich. Moment. « Sie zog eine Schublade des Sideboards heraus und reichte Butcher den Öffner. Er entkorkte die Flasche und stellte sie auf den Tisch.
    Er sah sich im Zimmer um. Wieder brannten Kerzen und verströmten einen angenehmen Duft, die beiden Salzleuchten waren an und eine Stehlampe in der Ecke, wo sich auch der Fernseher befand. Er betrachtete zwei Fotos, die Carina mit Jule zeigten, eins, als Jule noch ein Baby war und in den Armen der Mutter selig schlummerte, das andere schien erst vor kurzem aufgenommen worden zu sein, beide hatten die Köpfe aneinander gelegt und lachten. Eine Idylle, die er so nicht kannte. Seine Mutter hatte nie ihren Kopf an seinen gelegt, er hatte sie nur äußerst selten lachen sehen, nein, es war kein Lachen, es war ein gekünsteltes Verziehen des Mundes, um den Schein der Freundlichkeit zu wahren. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, jemals von ihr in den Arm genommen worden zu sein, einfach so, wie Mütter es eben mit ihren Kindern machen. Auch hatte er nie auf ihrem Schoß gesessen, sie hatte ihm, als er noch klein war, keine Kindergeschichten oder aus Märchenbüchern vorgelesen oder erzählt,

Weitere Kostenlose Bücher