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Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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finden, dachte er und steckte es zurück in den Rucksack. Mit mechanischen Bewegungen holte er das Portemonnaie heraus, in dem sich auch der Ausweis befand, und erfuhr, dass die Frau Mandy Schubert hieß. Geboren am 26. Oktober 1969 in Quedlinburg .
    Er schluckte, steckte den Ausweis ein und dachte: Sie ist auf den Tag genauso alt wie ich. Zufall? Nein, es gibt keine Zufälle. Butcher, es wird Zeit für dich.
    Er war nicht zufrieden, nicht eine seiner letzten Taten hatte ihm Freude oder ein besonderes Hochgefühl oder Befriedigung bereitet, im Gegenteil, er fühlte sich miserabel. Auc h w enn der Druck für einen Moment nachgelassen hatte, so war er doch noch immer vorhanden. Er hatte von Alkoholikern gehört, die, obwohl sie etwas getrunken hatten, doch immer weiter den Drang verspürten, noch mehr zu trinken, oder wie ein Junkie, der mehr und mehr Drogen brauchte, um zu überleben. So kam er sich jetzt vor, mit dem Unterschied, dass ein Alkoholiker oder ein Junkie niemandem wehtat, außer sich selber. Doch er zerstörte Leben, schnell und immer schneller, Menschen, die ihm zufällig über den Weg gelaufen waren, die er nicht kannte, die ihm nichts getan hatten. Ich bin eine reißende, tollwütige Bestie, dachte er auf der Fahrt nach Hause und umkrampfte das Lenkrad, als wollte er es zerquetschen .
    Ich töte, ohne zu wissen, warum. Warum morde ich? Warum? Warum, warum, warum???
    Er fand keine Antwort, nur die, dass er sein Leben nicht ertrug. Aber warum müssen andere darunter leiden?, dachte er weiter und näherte sich immer mehr Schleswig. Was hat das eine mit dem andern zu tun? Es darf so nicht weitergehen, ich werde Schluss machen. Endgültig. Und ich habe auch schon eine Idee, wie. Vierunddreißig Jahre bin ich alt und nicht fähig, ein normales Leben zu führen. Diese Gedanken beherrschten ihn ein paar Minuten, bis sie wieder klarer wurden und er sich locker zurücklehnte. Der tranceähnliche Zustand hatte aufgehört, der Druck nachgelassen, aber er würde wiederkommen, vielleicht heute schon, vielleicht erst morgen, aber er würde kommen. So wie die Gedanken, seine Mutter und seine Frau umzubringen, doch dies schaffte er nicht. Er traute sich nicht, ihnen etwas anzutun, denn sie waren ja viel stärker als er. Sehr viel stärker. Die eine hatte ihn in ihrem Bauch getragen, zur Welt gebracht, ihn ernährt und erzogen, die andere hatte ihm zwei reizende Töchter geschenkt. Und doch, jeder ihrer Blicke war stärker, ließ ihn zusammenschrumpfen, bis er kaum größer als ein Baby war. Ängstlic h u nd zitternd, auch wenn er dieses Zittern mittlerweile zu verbergen wusste. Ich hasse euch, ich hasse euch mehr als alles auf der Welt.
    Ich werde Carina nachher anrufen und sie fragen, ob ich am Abend kommen kann. Ich brauche ihre Gesellschaft. Aber vorher telefonier ich noch kurz mit Kiel. Mal sehen, ob dieser Henning zu erreichen ist.
     

DIENSTAG, 17.40 UHR
     
    H enning und Santos hielten hinter dem Streifenwagen. Einer der Beamten stand vor dem Haus und begrüßte sie mit ernster Miene.
    » Wer ist drin? «, fragte Henning.
    » Meine Kollegin mit Frau Kerstin Wilhelmi, einer Freundin von Frau Schubert. «
    » Danke, wir erledigen alles Weitere. «
    Sie gingen durch die angelehnte Haustür ins Innere. Eine junge Polizistin saß mit einer etwa vierzigjährigen Frau im Wohnzimmer und stellte Fragen. Sie hatte eine sanfte, einfühlsame Stimme, die verstummte, als Henning und Santos den Raum betraten.
    » Tag «, sagte Henning und stellte sich und Santos vor. » Danke, Frau Kollegin, wir übernehmen. Wenn Sie bitte so freundlich wären und draußen auf uns warten würden. «
    Sie verließ den Raum, und bevor Henning noch etwas sagen konnte, bot Frau Wilhelmi ihnen einen Platz an. Sie war klein, pummelig und trug eine Brille. Eine unauffällige Person, die die Beamten stumm ansah, doch in ihrem Blick lagen Angst und Sorge um ihre Mitbewohnerin .
    » Frau Wilhelmi, ich weiß, dass Sie schon einige Fragen beantwortet haben, aber wir müssen Ihnen noch ein paar stellen. Sind Sie bereit?«
    » Natürlich. «
    » Uns wurde mitgeteilt, dass Frau Schubert seit halb eins heute Mittag vermisst wird. Wie können Sie die Zeit so genau eingrenzen? «
    » Mandy, Frau Schubert, hat als Physiotherapeutin in Dänisch-Nienhof gearbeitet «, antwortete sie und sprach in der Vergangenheitsform, woraus Henning und auch Santos schlossen, dass sie selbst nicht mehr damit rechnete, ihre Freundin lebend wiederzusehen. » Sie hatte heute

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