Unsichtbare Spuren
Die sollte ihre alte Karre mal austauschen, Geld genug hat sie. «
» Sei nicht so gehässig, sie hält wenigstens ihr Geld zusammen, was man von dir nicht unbedingt behaupten kann. «
» Wieso, euch geht ’ s doch gut «, erwiderte er ungewohnt schroff. » Monika gibt wesentlich mehr aus als ich. «
» Sie tut es für die Familie! Und … «
» Und ich gönne mir fast gar nichts. Ich hab nicht viel Zeit, ich hab noch einen wichtigen Termin. «
» Du immer mit deinen Terminen. Gibt es eigentlich auch mal einen Tag, wo du nichts vorhast? Wo du dich einmal ausgiebig und ausschließlich um die Familie kümmerst? Laura und Sophie wissen doch schon bald nicht mehr, dass du ihr Vater bist … «
» Sie sehen mich jeden Tag, und ich unternehme oft genug etwas mit ihnen, was ich von Monika nicht gerade behaupten kann. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, Mutter. «
» Das sagst du. Doch würdest du einmal in dich hineinhorchen … Aber ich rede doch gegen Wände! Was ist mit Abendbrot und mal wieder einem gemütlichen Zusammensitzen in der Wohnstube? Lang, lang ist ’ s her, kann ich da nur sagen. «
» Es tut mir leid, wenn ich viel arbeiten muss, aber irgendwie muss ich auch diese Familie und das Haus unterhalten. Ich schaff es nicht mehr, zum Abendbrot zu bleiben, wenn ich noch rüber zu der Alten soll. Ihr habt es doch sowieso lieber, wenn ich nicht mit am Tisch sitze, oder? «
Sie verengte die Augen zu Schlitzen und zischte: » Was soll dieser Ton? Hör zu, mein Junge, so redest du nicht mit mir! Nicht mit deiner Mutter. Hast du das verstanden? So nicht! «
» Ja, Mutter, ich hab ’ s verstanden. Kann ich jetzt endlich gehen? «
Er zwängte sich an ihr vorbei, zog die Schuhe an und verließ das Haus, ohne sich von seiner Frau und den Kindern zu verabschieden .
Die Kaiser, wie er sie nannte, wohnte nur zweihundert Mete r e ntfernt in einem prachtvollen Bungalow, den ihr Mann, ein Architekt, gebaut hatte. Allerdings erlebte er den Einzug nicht mehr, ein Herzinfarkt, den er nach Butchers Meinung vornehmlich seiner Frau zu verdanken hatte, verhinderte es .
Seitdem waren acht Jahre vergangen. Die Kaiser galt als die mit Abstand reichste Frau im Ort, fuhr aber einen achtzehn Jahre alten Mercedes, der in letzter Zeit immer häufiger Aussetzer hatte. Ihre spitze Zunge und ihr beinahe unerträglicher Geiz waren allseits bekannt und berüchtigt, genau wie ihre unausstehliche Arroganz, obgleich sie eine äußerst attraktive und gutgebaute Frau war, die nicht von hier stammte, sondern aus dem Fränkischen, was deutlich an dem rollenden R zu erkennen war. Doch trotz aller negativen Eigenschaften wurde sie von ein paar wenigen, die sich als ihre Freunde ausgaben, hofiert, wohl in der Hoffnung, ein paar Krumen des riesigen Kuchens würden eines Tages für sie abfallen. Jedoch hielt sie sich nur sporadisch in diesem Domizil auf. Mindestens die Hälfte des Jahres verbrachte sie auf Mallorca, wo sie eine Finca genau dort hatte, wo auch viele Prominente residierten und wohin sie sich zurückzogen, wenn sie dem Alltagsstress entfliehen wollten, der in Butchers Augen hauptsächlich darin bestand, so viel Geld wie möglich unter die Leute zu bringen. Außerdem besaß sie eine Villa am Hamburger Alsterufer, wo sie ebenfalls mehr Zeit als hier verbrachte. Ihre Ehe war kinderlos geblieben, wahrscheinlich hatte sie keine gewollt, sie hätten ja ihre Figur und vor allem ihr Leben ruiniert.
Vor gut einer Woche war sie nach langem mal wieder aufgetaucht, braungebrannt und elegant gekleidet wie immer, aber es würde sie nicht lange hier halten, nicht in diesem Nest, das für sie wie eine Einöde sein musste. Sie war wie ein Zugvogel, mit dem Unterschied, dass sie zwischen drei Orten hin und her pendelte und sich an keine festen Zeiten hielt.
» ’ n Abend «, wurde er von der Kaiser begrüßt, einer Frau, die er auf den Tod nicht ausstehen konnte, die aber mit seiner Mutter bestens auskam. Er hatte schon beim ersten Mal, als er sie beide zusammen sah, gedacht, hier haben sich zwei Seelenverwandte gefunden. » Er springt nicht an. «
» Mal sehen, ob da noch was zu retten ist «, sagte er, löste die Verriegelung der Motorhaube und öffnete diese. Er warf nur einen kurzen Blick hinein, wobei er spürte, wie die Kaiser ihm über die Schulter schaute, doch er stellte sich so hin, dass sie unmöglich würde erkennen können, was er machte. Sie roch wieder nach diesem entsetzlichen Parfum, das süßlich und aufdringlich in seine Nase
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