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Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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zwanzig an uns vorbei. Sie hatte eine Zigarette in der Hand und schien es sehr eilig zu haben. Der Postbote hat mit dem Fahrrad dort drüben beim Bäcker gehalten und ist reingegangen, hat sich etwa drei Minuten dort aufgehalten und ist nach und nach von einem Haus zum andern gefahren. In dieser halben Stunde sind achtunddreißig Autos an uns vorbeigefahren, darunter zwei LKW. Vier Mütter und ein Vater, ich nehme an, es war der Vater, haben ihre Kinder von der Schule abgeholt, soweit ich das von hier aus sehen konnte .
    Die meisten Kinder sind aber entweder allein oder in Gruppen unterwegs gewesen. Einige sind dort vorne in den Bu s g estiegen. Ich habe mindestens zwölf Kinder auf Fahrrädern gezählt. Außerdem sind noch mehrere Erwachsene an uns vorbeigelaufen, wobei ich glaube, dass um diese Zeit hier am meisten los ist. Das habe ich beobachtet. «
    » Und, weiter? «
    » Ich habe beobachtet und versucht mir so viele Dinge zu merken wie nur irgend möglich. Ich weiß, dass ich vieles übersehen habe, weil ich meine Augen nicht gleichzeitig überall haben kann, aber eins ist mir ganz besonders aufgefallen – nicht einer von denen, die an uns vorbeigekommen sind, hat auch nur einen Blick an uns verschwendet. Weder die Kinder noch die Erwachsenen. Wir waren nicht existent und sind es noch immer nicht. Wir haben ein ganz normales Auto und kommen aus Kiel. Nichts Ungewöhnliches, hier sieht man dauernd Autos aus Kiel. Und hier sieht man auch dauernd Autos aus irgendwelchen andern Städten. Urlauber zum Beispiel. Alles ganz normal. Und genau diese Normalität macht sich unser Täter zunutze. Wir sind unsichtbar für die da draußen. Und jetzt pass auf, ein kleines Experiment. «
    Er stieg aus und ging auf ein vielleicht sechs- oder siebenjähriges rothaariges Mädchen zu, dessen Gesicht voller Sommersprossen war, und fragte es nach einer Familie, deren Namen er vergessen habe, die er aber dringend sprechen müsse.
    » Wie heißt du denn? Du siehst nämlich genauso aus wie das Mädchen, das mir beschrieben wurde. «
    » Christine «, antwortete sie schüchtern .
    » Und wo wohnst du? «
    » In der Alten Dorfstraße. «
    » Siehst du, genau da will ich hin. Sind deine Eltern zu Hause? «
    » Nur meine Mama, mein Papa ist bei der Arbeit. «
    » Können wir hinfahren? «
    » Wer bist du denn? «
    » Ich habe deinen Papa gestern getroffen, und er hat mir gesagt, ich soll heute bei euch vorbeikommen und etwas mit ihm oder mit deiner Mama besprechen. Ich nehm dich mit, wenn du möchtest. «
    Christine sah ihn einen Moment zweifelnd an und fragte : » Was willst du von meiner Mama?«
    »Ich will ihr Geld bringen, das dein Papa gewonnen hat. Kommst du mit?«
    Sie zögerte, schaute zum Auto hin und ging schließlich mit Henning mit. Er machte die Hintertür auf und schnallte das Mädchen an. Anschließend begab er sich zu einer jungen Frau und ihrem Freund, zumindest nahm Henning an, dass es sich um ein Pärchen handelte, und sagte: » Entschuldigung, wenn ich störe. Henning, Kripo Kiel. « Er zeigte seinen Ausweis und steckte ihn gleich wieder ein. » Ist Ihnen eben nichts Besonderes aufgefallen? Ich habe nämlich gesehen, dass sic seit etwa fünf Minuten hier stehen und sich unterhalten. Sie haben sogar ein paarmal zu mir hingeschaut. «
    » Nein «, sagte die junge Frau kopfschüttelnd, doch sie errötete bei der Antwort. » Was soll mir denn aufgefallen sein? «
    » Und Ihnen? «, fragte er den jungen Mann .
    » Nö, mir auch nich. «
    » Ich habe gerade eben ein kleines Mädchen, das jetzt in meinem Wagen sitzt, angesprochen, und es war für mich ein Leichtes, sie dazu zu überreden, obwohl ich sie heute zum ersten Mal gesehen habe. Es hat maximal zwei Minuten gedauert, bis ich sie dazu überreden konnte, einzusteigen. Ich würde mich freuen, wenn Sie in Zukunft die Augen ein klein bisschen besser aufhalten könnten. Schönen Tag noch. «
    Er hätte noch mit anderen vermeintlichen Augenzeugen sprechen können, unterließ es jedoch, weil er wusste, dass es ohnehin sinnlos gewesen wäre.
    Wieder im Auto, sagte er zu Christine: » Zeigst du mir jetzt, wo du wohnst? «
    Ihre Angaben waren klar, Henning fand nach fünf Minuten das Haus, in dem Christine wohnte. Er klingelte, die Mutter kam an die Tür, Henning stellte sich vor und sagte: » Dürften wir bitte kurz allein mit Ihnen sprechen? «
    » Um was geht ’ s? Christine, gehst du schon mal rein? «
    » Frau Vogel, meine Kollegin und ich haben eine halbe Stunde in der

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