Unsortiertes
Pflaster aus. „Aber
ich muss mich erst noch entschuldigen, ich war – wieder einmal – zu forsch!“
Ich rieb mir verwundert die Augen. „Sorry, aber ich kann jetzt nicht
ganz folgen! Was meinst du?“
„Ich habe dich die ganze Zeit geduzt, obwohl du mir das Du nicht
angeboten hast!“ Verlegenheit machte sich auf seinem Gesicht breit, er
verlagerte sein Gewicht von einem Bein zum anderen.
Ich konnte nur meinen Kopf schütteln. „Justin, wo ist das Problem? Wäre
Enrico nur etwas offener gewesen, aus uns wäre, da bin ich mir sicher, ein Paar
geworden. Somit wären wir so etwas wie verschwägert, da ist das Du wohl mehr
als angebracht. Findest du nicht?“
„Doch schon!“ Er lächelte. „Aber wir sollten das, nur für uns, noch
besiegeln!“
„Und wie?“ Ich blickte ihn neugierig an. „Bier zum Anstoßen habe ich
leider nicht dabei!“
Er trat einen Schritt auf mich zu, spitzte seine Lippen und drückte mir
einen Kuss auf den Mund. Ich brauchte einen Augenblick, um die Situation
gänzlich zu erfassen, dann aber öffnete ich die Lippen, legte meine Linke auf
seinen Hinterkopf, zog ihn langsam zu mir heran. Seine Zunge eroberte meinen
Mundraum, aber auch mein Gegenangriff war erfolgreich.
Als wir uns gelöst hatten, lachte er mich an. „Noch drei Minuten! Nun
mal los, werter Schwager!“
„Nach dir, lieber Schwager!“ Ich fand ihn einfach nur süß.
Im Saal angekommen saßen die meisten Zuschauer schon wieder auf ihren
Plätzen, der Angeklagte, samt Verteidigungsmannschaft und Bewacher, war auch
schon wieder anwesend, der Staatsanwalt saß ebenfalls auf seinem Platz, nur das
hohe Gericht glänzte noch durch Abwesenheit. Es dauerte etwas, aber dann ging
die Tür auf und der hohe Spruchkörper zog im Gänsemarsch wieder ein. Man erhob
sich, bis der oberste Robenträger sich räusperte. „Die Verhandlung gegen
Benedikt Hartenberg wegen Totschlags wird hiermit fortgesetzt. Nehmen sie bitte
Platz.“ Jeder im Saal setzte sich, ich mich auf den Zeugenstuhl.
„Nach Beratung hat das Gericht beschlossen, die durch den Zeugen Kleeve
vorgelegten Briefe in Augenschein zu nehmen. Das Gericht geht, nach der
Bestätigung durch den Zeugen Justin Jublinski und der vorgelegten
Vergleichsprobe der Handschrift des Opfers, von der Echtheit der Briefe aus.
Der Beweisantrag der Verteidigung wird daher verworfen, da ihm auch das
Geschmäckle einer möglichen Prozessverschleppung anhaftet. Dem Antrag der
Staatsanwaltschaft war jedoch stattzugeben, da die Beweiserhebung nicht
unzulässig ist, ich verweise auf § 245 Absatz 2 StPO.“ Er blickte sich um. „Ich
darf dann beginnen?“ Ich blickte nach vorne, der Brief war mittlerweile in
einer Klarsichtfolie verpackt, er rückte sich die Brille zurecht. „Herr Kleeve,
ist JFK ihr Spitzname?“
Ich nickte pflichtbewusst. „So werde ich nicht nur von Freunden und in
der Szene genannt, es ist auch mein Markenzeichen als Fotograf.“
„Dann wollen wir mal!“ Er räusperte sich erneut und begann seinen
Vortrag. „Köln, am zweiten Mai 2007. Hi JFK, ich weiß, ich bin ein Arsch, es
tut mir wirklich leid, dass ich mich in letzter Zeit so rar gemacht habe, aber
ich musste über einige Dinge in meinem Leben nachdenken. Düsseldorf ist nichts
mehr für mich, zu viele Gedanken an Nadine und das Kind, dass die Schlampe
einfach weggegeben hat. Aber mit der Bitch will ich Dich jetzt nicht nerven, Du
hattest immer Deine Probleme mit ihr. Aber mit Deiner Skepsis hast Du Recht
behalten, ich war wohl zu blauäugig.
Ben hat mir letzte Woche einen Job in einem seiner Läden angeboten, ich
werde also Barkeeper in einem seiner Betriebe. Er hat gesagt, ich könnte auch
bei ihm wohnen. Ich glaube, ich nehme das Angebot an, ich will endlich von der
Straße weg. Fühl Dich umarmt und geknuddelt – Dein Enrico – PS: Meine neue
Handynummer lautet …“
Er blickte in dir Runde, legte das Papier beiseite und nahm die nächste
Klarsichthülle in die Hand. „Köln am 15.05.2007. Hi JFK, danke für Deine SMS.
Wie war Dubai? Wenigstens bei dir scheint alles rund zu laufen, bei mir sieht
es nicht so gut aus. Ben hat mir zwar einen neuen Pass besorgt, ich heiße jetzt
David Husselmann, aber er will plötzlich den doppelten Preis dafür haben,
dieses Arsch! Den versprochenen Barkeeperposten gab es auch nicht, ich muss für
ihn die Beine breitmachen, also wieder auf den Strich! Warum habe ich dich für
ihn verlassen? Ich bin ein Idiot!
Der Arsch
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