Unsortiertes
verlangt außerdem 500 Miete pro Woche für das Zimmer, ich
schulde ihm jetzt also knapp 7.000 Euro! Warum gerate ich immer an die falschen
Leute? Das Handy hat er mir abgenommen, ich komme mir vor wie im Knast. Er will
mich morgen nach München bringen, um da meinen Arsch anzubieten, da wäre ich
Frischfleisch. Fühl Dich trotzdem umarmt und geknuddelt! Dein Enrico.“
Fast mechanisch griff er sich den letzten Brief. „Irgendwo auf der
Autobahn, Datum vom 15.06.2007. Hi JFK, ob Du es glaubst oder nicht: Das Arsch
hat tatsächlich einen mobilen Puff mit allem Komfort, getarnt als normaler
Caravan. Ben fährt und ich sitze hinten und schreibe Dir.
Es gibt endlich etwas Positives zu berichten: Ich hatte in München
einen Stammfreier, einen reichen Araber, der mich freikaufen will! Ben scheint
einverstanden zu sein, denn seitdem Ibrahim (das ist der Araber) ihm den
Vorschlag gemacht hat, bin ich nur noch sein privater Lustsklave. Aber ich hab
schon Schlimmeres erlebt: Seine acht Zentimeter (mehr hat er wirklich nicht in
der Hose!) tun nicht weh, auch wenn er rammelt wie eine Nähmaschine. Schlimmer
ist, dass er mich immer erst mit dem Gürtel oder der Peitsche traktiert, um
überhaupt noch einen hochzukriegen.
Wir sind auf dem Weg in sein Wochenendhaus im Bergischen. Ich soll ihm
und seinen Freunden dort als Lustobjekt für das ganzes Wochenende dienen, Ben
nannte es meine letzte Diensthandlung. Egal! Montag hat der Spuk endlich ein
Ende und dann geht es mit Ibrahim endlich in die Freiheit. Wegen meiner Sachen,
die noch bei Dir in der Einliegerwohnung liegen, melde ich mich. In Liebe –
Dein Enrico – PS: Ich hab nur noch eine 40 Cent Briefmarke, ich hoffe, Du
verzeihst mir das Nachporto! E.“
Der Angeklagte schlug mit der Hand auf den Tisch. „Ich fasse es nicht!
Der kleine Schwanzlutscher hat Briefe geschrieben! Nach einem zweiten Handy
habe ich ja gesucht, aber Briefe?“
„War das der Anfang eines Geständnisses?“ Die Frage des Vorsitzenden
war kühl und nüchtern.
Der Versicherungsmensch sprang auf. „Leck‘ mich!“
„Es ergeht folgender Beschluss: Gegen den Angeklagten wird wegen
ungebührlichen Verhaltens ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro
beziehungsweise vier Tage Ordnungshaft angeordnet. Herr Hartenberg, sie dürfen
hier weder Zeugen noch das Gericht beleidigen! Ist das jetzt klar?“
Statt einer Antwort griff der Versicherungsmensch nach dem Glas, das
vor ihm stand, und warf es in Richtung Richterbank. Die beiden Beamten
reagierten erst, als es krachend auf dem Boden aufschlug und in tausend Teile
zersplitterte. Silberlocke blieb überraschend ruhig.
„Es ergeht dann ein weiterer Beschluss: Gegen den Angeklagten
Hartenberg wird ein erneutes Ordnungsgeld in Höhe von 2.000 Euro
beziehungsweise acht Tage Ordnungshaft angeordnet, ferner wird hiermit die
Fesselung des Angeklagten angeordnet. Meine Herren, legen sie ihm Handschellen
an!“ Die Uniformierten kamen der Aufforderung nach. „Herr Hartenberg, noch so
eine Entgleisung und wir machen in ihrer Abwesenheit weiter.“ Er machte sich
ein paar Notizen. „Gibt es zu den Briefen Anträge oder Erklärungen? Herr
Staatsanwalt? Herr Verteidiger?“
Es herrschte absolute Ruhe. Die beiden Bänke tuschelten intensiv, aber
die Beratungen am Tisch der Staatsanwaltschaft verliefen aber schneller.
„Aufgrund der neuen Beweislage ist es jetzt wohl kein Totschlag mehr, sondern
eher Mord. Bezüglich dieser Qualifizierung reicht – nach Ansicht der
Staatsanwaltschaft – ein Hinweis auf § 265 Absatz 2 StPO.“ Der Anklagevertreter
räusperte sich. „Außerdem kommen jetzt Delikte wie Urkundenfälschung,
gefährliche Körperverletzung, eventuell sogar auch schwere Körperverletzung zur
Anklage hinzu, ferner die Ausbeutung von Prostituierten und Zuhälterei. Man
könnte zwar einen Teil nach § 266 StPO [Nachtragsanklage] heute schon
mitverhandeln, aber ich glaube nicht, dass der Angeklagte dem zustimmen würde.
Auch sehe ich noch Ermittlungsbedarf hinsichtlich der §§ 180a [Ausbeutung von
Prostituierten], 181a [Zuhälterei], 267 [Urkundenfälschung]. Von daher werden
wir uns wohl alle bald wiedersehen.“
Der Mann mit der Goldrandbrille blickte zur Anklagebank. „Was sagt die
Verteidigung?“
Diesmal war es die Dame, die die Stimme erhob. „Einer Nachtragsanklage
hätten wir natürlich nicht zugestimmt, aber wir beantragen nach § 265 Absatz 3
die Aussetzung des Verfahrens.“
Silberlocke zog die
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