Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
wenig sie sich daraus machte.
Der großzügige Park um Prestonfield House war mit blauen und lila Lichtern kunstvoll ausgeleuchtet. Sie fuhren an den ehemaligen Stallungen vorbei, in denen nun, dem Anschein nach, irgendein teures Event stattfand. Vor dem Eingang des Hauptgebäudes, aus dem nun das Prestonfield Hotel geworden war, hielten sie an. Adam konnte sich noch gut erinnern, wie er vor vielen Jahren einmal eine unvergessliche Pokerspiel-Woche hier verbracht hatte, damals, als das Anwesen noch in Privatbesitz gewesen war.
»Ich dachte, du würdest dich freuen, mal das Restaurant kennen zu lernen«, sagte Victoria mit einem schelmischen Grinsen, während ein weißbehandschuhter Portier den Wagenschlag für sie aufhielt. Ein langer roter Teppich führte in die hell erleuchtete Eingangshalle, von der aus man rechts und links ins Restaurant, beziehungsweise die Hotelbar gelangte. »Cem hat mir erzählt, dass du dich bei deinem letzten Besuch hier offenbar prächtig amüsiert hast.«
Adam warf seinem Freund einen belustigten Blick zu.
»Er hat dir doch nicht meine Jugendsünden gebeichtet?«
Victoria grinste. »Ach, nur ein bisschen. Und nur, weil es mich so brennend interessiert hat.«
»Sicher hat er gewaltig übertrieben, damit du ihm an den Lippen hängst«, bemerkte Adam. »Ich dagegen kann dir Geschichten von ihm erzählen - ohne Übertreibung! -, bei denen ...«
»Adam«, sagte Cem warnend. Nicht, dass das Adam davon abgehalten hätte, seinen Freund mit den alten Geschichten zu blamieren, wenn er unbedingt gewollt hätte.
Aber er wollte nicht. Cem hatte jetzt Victoria. Das, was davor gewesen war, war Vergangenheit. So war es bei allen Vampiren, die endlich ihren Lebenspartner gefunden hatten.
»Ah, Mr. Bilen, herzlich willkommen. Ihr üblicher Tisch wird gleich für Sie fertig gemacht«, sagte der Oberkellner hoheitsvoll, sobald er sie erspäht hatte.
Das Rhubarb war offenbar eins von Cems und Victorias Lieblingsrestaurants. Adam folgte den beiden und fragte sich dabei unwillkürlich, ob er wohl je eine Frau haben würde und ein gemeinsames Lieblingsrestaurant ... Der Gedanke war ihm bisher noch nie gekommen.
»Also, was sind das für Geschichten?«, wollte Victoria sofort wissen, nachdem man sie an »ihren« Tisch gesetzt hatte. Er stand an einem der hohen Fenster, und man hatte von dort aus einen herrlichen Blick in den Garten. Der große Kamin und die hohen Decken waren noch ganz so wie früher, aber alles andere hatte sich drastisch verändert.
Jetzt standen überall kleine, mit weißen Tischdecken gedeckte Tische, darauf glänzendes Silberbesteck, funkelnde Kristallgläser, gefüllt mit teuren Weinen, in der Mitte kostbare Kerzenständer. Früher hatten hier gerade mal zwei Sofas und ein paar Sessel gestanden; es war das Raucherzimmer des Anwesens gewesen.
»Adam wollte bloß andeuten, dass er kein so großer Playboy ist, wie ich behauptet habe«, erklärte Cem und widmete sich mit unnatürlichem Interesse der Speisekarte.
»Ach, Playboy, was für ein hässlicher Ausdruck«, sagte Adam, wurde aber von Victoria unterbrochen.
»Mein Gott, Cem, weißt du, wer das ist?«
Adam folgte Victorias Blick zu einem Tisch am anderen Ende des Raums. Er kannte den Mann nicht, der dort mit einer Frau saß, doch der Typ war ihm durchaus vertraut: manikürte Hände, enge Beinkleider, schmale Krawatte. Das war ein Playboy, wie er im Buche stand. Aber was fand Cems Frau bloß an ihm?
»Und? Das ist ein italienischer Gentleman«, bemerkte Cem gleichgültig und steckte seine Nase wieder in die Speisekarte.
Seine Frau verdrehte die Augen. »Ein italienischer Gentleman! Weißt du denn nicht, wer das ist? Das ist Marco Venetto, der Agent des Gespensts!«
Nun hatte sie Cems Aufmerksamkeit errungen. Er legte die Speisekarte beiseite und warf einen genaueren Blick zum anderen Tisch hinüber.
Adam dagegen glaubte sich verhört zu haben. Das Gespenst? Wie eigenartig. Er hatte noch nie davon gehört.
Victoria merkte es.
»Das Gespenst ist ein Fotokünstler, und Marco ist sein Agent. Er selbst nennt sich ›Fotograf X‹, aber die Kunstwelt hat ihm den Spitznamen ›das Gespenst‹ gegeben, weil er noch nie öffentlich in Erscheinung getreten ist«, erklärte Victoria, die sich vorgebeugt hatte, um nicht so laut reden zu müssen. »Der Fotograf ist vor, ich glaube, sieben Jahren wie aus dem Nichts aufgetaucht - das heißt, natürlich nicht er, sondern sein Agent. Er ist der Einzige, der weiß, wer sich hinter dem
Weitere Kostenlose Bücher