Unsterblich geliebt
Inneres krampfte sich schmerzhaft zusammen. Warum tat es so verdammt weh, das zu hören? Schließlich hätte ihm das klar sein müssen. Immerhin war sie von einer Brücke gesprungen!
„ Kann ich etwas für dich tun, John?“
„ Erzähl mir alles, auch das, was nicht hier drin steht.“
Also begann Sarah ihm alles detailliert zu berichten.
„… Raven hat ihre Schulter eingerenkt und wir haben die gebrochenen Knochen ausgerichtet. Ein Teil des Schlüsselbeins war entsetzlich zertrümmert, aber Alva konnte das durch ihre Gabe heilen. Dein Blut hätte den Knochen neu wachsen lassen, aber die Splitter wären im Fleisch geblieben.“
„ Wie lange wird es dauern?“
„ Hab Geduld, John. Ihr Männer seid Vampire und heilt im Nu, aber wir Frauen sind Menschen. Dein Blut sorgt zwar dafür, dass Laras Zellen alle vorübergehend in der Lage sind, sich vollständig zu regenerieren, aber das braucht Zeit.“
Er gab Sarah die Akte zurück.
„ Agnus wollte, dass ich ihn gleich anrufe und dich zu ihm schicke, so bald du wach bist, aber…“
„ Aber?“ Er blickte zu ihr hoch, registrierte erst jetzt die roten Ränder an ihren Augen. Sie schenkte ihm ihr mitfühlendes, zartes Lächeln. Also wusste Sarah, ebenso wie er, dass es Ärger geben würde. Großen Ärger.
“ Aber bleib ruhig noch ein bisschen bei ihr. Ich werde mit meinem Anruf einfach warten.“
Eine Galgenfrist. „Danke.“
Er richtete den Blick wieder auf Lara, legte ihre Hand erneut in seine und streichelte mit dem Daumen über ihren Handrücken.
„ Ich konnte sie nicht sterben lassen, Sarah.“
„ Ich weiß, John. Du hast mir damals auch das Leben gerettet, obwohl du dafür das Gesetz übertreten musstest. Elia und ich stehen für immer in deiner Schuld. Wir werden für dich und deine Schriftstellerin da sein, wenn du uns brauchst.“
Er spürte einen kaum merklichen Druck von Sarahs Hand, dann entfernte sie sich.
„ Ich lass euch jetzt ein bisschen allein. Du findest mich nebenan, falls etwas sein sollte.“
Kapitel 6
Sarah war schon fast nebenan, da begriff John erst, was sie gesagt hatte. „Sie ist Schriftstellerin?“
„ Ja, stell dir vor, diese Lara schreibt über Ritter. Ist das nicht eine Ironie des Schicksals? Mit bürgerlichem Namen heißt sie zwar O’Brian, aber ihr Künstlername ist Livingstone. Arabella hat erzählt, die Frau sei eine bekannte Autorin und schreibe historische Romane. Eines ihrer Bücher ist eine Geschichte aus der Rokokozeit.“
„ Das weiße Kleid, das sie trug“, erinnerte er sich.
Die Tür zum Nebenraum schloss sich hinter Sarah.
John blickte auf Laras leblose Hand, die er hielt.
Sie rührt sich nicht und sie wird nicht aufwachen, aber sie ist am Leben. Ich kann ihre Hand loslassen.
Seine Hand schloss sich trotzdem fester um ihre.
Es war es knapp. Beinahe hätte ich Lara auch verloren!
Ich habe sie dem Tod gerade noch entrissen.
Er konnte ihre Hand nicht loslassen, noch nicht.
Und im Stillen dankte er Gott, dass man sie beide rechtzeitig gefunden hatte. Zum ersten Mal seit über einem Jahr war er froh, noch zu leben.
Ihre Hand fühlte sich warm an. Das stetige Pulsieren ihres Blutes zu fühlen und das gleichmäßige Schlagen ihres Herzens zu hören, brachte ihn auf seltsame Art zur Ruhe.
Er roch das Flusswasser in ihrem Haar. Obwohl es getrocknet war lag ein Hauch der Wildnis darin. An diesem Fluss war er ihr zum ersten Mal begegnet und erinnerte sich, wie still und friedlich Lara damals vor ihm lag.
Die Erinnerung daran zauberte ein Lächeln auf seine Lippen und im Geist stand er wieder am sandigen Flussufer dieser beeindruckenden Schlucht.
Wie immer hatte er seinen Wagen ein ganzes Stück entfernt abgestellt, weil er es genoss durch die Wildnis zu laufen und dabei ihre vielfältigen Gerüche und Geräusche aufzunehmen.
Leider hatte die Zivilisation im letzten Jahrhundert dafür gesorgt, dass diese stillen, unberührten Landschaften ständig weniger wurden.
Doch nun stand er wieder an diesen idyllischen Ort und atmete ein paar Mal tief durch. Er blickte hoch zu der alten, kunstvollen Eisenbrücke, die sich anmutig über die malerische Schlucht spannte.
Dann wehte die kühle Nachtluft einen Geruch an seine Nase, der Geruch von Beute. Er war nicht in diese menschenverlassene Gegend gekommen, um zu jagen, doch seine rasiermesserscharfen Fangzähne drangen bereits aus dem Kiefer und sein Magen zog sich hungrig zusammen. Nur ein paar Schritte, dann hatte er die Frau in der Ferne
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