Unsterbliche Bande
selbst kann ich das nicht behaupten. So unrealistisch. Nicht nur die Kampfszenen – da drückt man ja schon einmal ein Auge zu –, aber diese lächerlichen Helden. Niemand benimmt sich so in solchen Situationen. Das kannst du mir glauben«, fügte er hinzu. »Ich habe Erfahrung mit Möchtegernhelden. Die reißen nicht lange Witze.«
»Die Bösewichte sind aber auch nicht realistisch, oder?«, sagte Jasper. »Die sind immer so eindimensional. Gierige Mistkerle mit wenig Hirn und heftigen Wahnvorstellungen, die, sobald etwas nicht nach ihrem Kopf geht, Wutanfälle bekommen.«
Friar lächelte. »Ich bin froh, dass ich beschlossen habe, dir deinen Willen zu lassen. Ich wähle für dich, darf ich?« Er zog ein Messer aus der anderen Tasche. Ein Klappmesser. Eine Berührung, und die Klinge schnappte heraus. Er stand auf und begann auf Jasper zuzugehen.
Vielleicht hatte Friar recht. Auf einmal war Jaspers Kehle viel zu trocken für eine schlagfertige Reaktion.
»Ich werde nichts tun, was dich dauerhaft entstellt.« Friar sah so normal aus, als er das sagte, wie ein Zahnarzt, der einen nervösen Patienten beruhigt. »Also nicht die Augen. Wusstest du, dass die Fußsohlen mit die nervenreichsten Stellen im Körper sind? Ich denke, wir fangen damit …« Er legte den Kopf schief. »Ah. Heute ist dein Glückstag, Jasper. Oder Nacht. Dein Bruder ist hier.«
Jaspers Mund, der eben noch staubtrocken gewesen war, war auf einmal voller Speichel. Er schluckte. »Schön, das zu hören. Und woher weißt du das?« Hatte Friar weitere Männer um die Schule postiert, die Jasper nicht gesehen hatte?
»Durch einen Schutzbann. Einen sehr einfachen. Ich fange gerade erst an damit, deswegen ist es besser, sie schlicht zu gestalten.«
»Wusstest du daher –«
»Ich möchte dich nun bitten, leise zu sein. Vielmehr vollkommen still.«
Lily stieg aus und schlug die Autotür zu. Auf dem Weg hierher hatten sie sich verfahren. GPS war ja schön und gut, aber die Straßen in San Francisco waren der Wahnsinn.
Egal. Jetzt waren sie hier, und gerade hatte sie eine SMS an Tony geschickt, der ihr geantwortet hatte, dass Hugo immer noch in der Bar sei. Sie war zwei Blocks davon entfernt, doch waren sie auf der Suche nach einem Parkplatz daran vorbeigefahren. Nur dass sie keinen gefunden hatten. Die Straßenränder waren vollkommen zugeparkt, und der nächste Parkplatz war voll, sodass Lily Todd illegal neben einem Hydranten parken ließ. Die Bar, die Hugo sich ausgesucht hatte, war klein, doch auf einem riesigen Neonschild prangte es draußen in Rot: OBEN OHNE ! Darunter stand in kleinen Buchstaben: Dingos. Ohne Apostroph, sodass es schwer zu sagen war, ob der Besitzer wilde Hunde willkommen hieß oder ob er von sich behauptete, einer zu sein.
Mike und Todd, die links und rechts von ihr gingen, rückten dicht zu ihr auf. Es war zwar keine tolle Gegend, aber kaum die schlimmste, in der sie je gewesen war, und zu dieser Stunde ging es hier lebhaft zu. Auf eine Frau kamen zwei Männer, und Lily stach aus den Frauen, die sie sah, heraus. Vermutlich waren es nicht alles Nutten, aber nur am Äußeren konnte man es nicht erkennen.
»Hast du Tony gesehen«, fragte sie. »Oder ihn gerochen?«
»So gut ist meine Nase nicht in dieser Gestalt«, sagte Todd entschuldigend.
»Bei den vielen Leuten kann ich nicht viel sehen«, sagte Mike. »Warum wartet er nicht drinnen auf uns?«
»Er hat Hausverbot im Dingos. War da einmal in einen Kampf verwickelt. Sie würden sich an ihn erinnern.«
»Ja, an ihn erinnert man sich.«
»War das der Grund, warum er Hugo nicht für dich hochnehmen konnte?«
Sie nickte. »Das, und die Tatsache, dass Hugo vermutlich über einen Zauber verfügt, was den Umgang mit ihm nicht ganz ungefährlich macht. Er hat definitiv eine Gabe, aber wir wissen nicht, welche. Irgendetwas, das in Verbindung mit Luft steht.«
»Ich weiß nicht, was das –«
Unmittelbar nach dem letzten Wort verdrehte Todd die Augen. Eine Wand aus Magie rollte über Lily hinweg. Todd klappte in sich zusammen wie eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten werden.
Mike folgte ihm.
Genauso wie alle anderen um sie herum … außer einer. Die Frau war klein – ungefähr so groß wie Lily –, aber sehr viel muskulöser. Und sehr viel pelziger. Rotbraunes Fell bedeckte jeden sichtbaren Zentimeter von den Zehen ihrer nackten Füße bis zu den Spitzen ihrer katzenähnlichen Ohren. Zwischen diesen Ohren befand sich ein etwas dunklerer Streifen. Das Wesen
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