Unsterbliche Bande
was es war, und das ärgerte sie, aber sie hatte sich damit abgefunden, es nicht zu wissen. Meistens.
Lily drehte sich um, um die Zeugen anzublicken.
Vielleicht vierzig Personen warteten darauf, zu tun, was sie befahl, darunter sechs Männer. Alle waren beunruhigt. »Zunächst möchte ich wissen«, sagte sie laut, »ob jemand über eine Information verfügt, die dringend ist? Nicht nur wichtig, sondern dringend.« Einige schüttelten den Kopf. Niemand sagte etwas. »Nun gut. Alle, die mit einem Laban gesprochen haben oder von ihm befragt worden sind, gehen nach rechts. Alle, die mit einem Vochi gesprochen haben oder von ihm befragt worden sind, gehen nach links. Wenn ihr von mehr als einem Clan befragt wurdet, geht in die Mitte und setzt euch. Wenn ihr von jemandem befragt wurdet, der weder ein Vochi noch ein Laban noch ein Nokolai ist, geht in die Mitte, aber setzt euch nicht.«
Irgendwo anders könnte man niemals so mit Zeugen umspringen. Hier taten sie alle brav, was sie gesagt hatte. Gemurmel wurde laut, als sie die Grenzen für jede Gruppe absteckten, aber sonst lief alles stillschweigend ab.
Es war unheimlich. »Danke«, sagte sie und zählte schnell durch. Nur sechs auf der Laban-Seite. Dreizehn, nein, fünfzehn auf der der Vochi. Neun saßen in der Mitte, elf standen. »Ich spreche nun zu denen, die in der Mitte stehen«, sagte Lily. »Wenn es unter euch welche gibt, die hier vorn sind, weil sie von einem Leidolf befragt wurden und nur von einem Leidolf, dann setzt euch …« Sie sah sich um. »Setzt euch auf die Westseite, neben Cynna.«
Nun kam Bewegung in die Gruppe der Stehenden in der Mitte, wobei sie sorgfältig darauf achteten, nicht den offenen Bereich zu betreten, wo Isen, Lily, Rule und die anderen standen. Sobald sie drüben bei Cynna waren, fragte sie: »Gibt es jemanden, der von jemandem angesprochen wurde, der nicht zum Clan gehört? Und auch zu keinem der anderen Clans?« Sie wartete. Niemand sagte etwas oder rührte sich. »Okay. Ich werde sicher mit jedem von euch einzeln sprechen müssen, aber jetzt noch nicht. Wenn ihr möchtet, könnt ihr euch setzen, solange ihr wartet, aber bleibt in euren Gruppen und redet nicht miteinander.«
Soweit zu den freiwilligen Zeugen. Die beiden, die sich nicht gemeldet hatten, wurden nun, eskortiert von zwei sehr großen Wölfen, mit einem Knuff vor ihren Rho dirigiert. Eine der beiden Frauen war ungefähr dreißig, hatte blonde Haare, blaue Augen und war knapp eins sechzig groß und circa zweiundsechzig Kilo schwer. Diese zweiundsechzig Kilo waren zu einer klassischen Sanduhr-Figur geformt. Sie machte ein unglückliches Gesicht. Die andere war jünger, vielleicht zwanzig – hatte ein schmales Gesicht, langes, sehr glattes dunkles Haar und olivfarbene Haut. Eins fünfundsiebzig groß, aber ungefähr genauso schwer wie die andere Frau. Hochgewachsen und schlank. Lily konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deutlich sehen, sie hielt den Kopf gesenkt, sodass ihr das lange Haar wie ein Vorhang vor das Gesicht fiel.
»Isen«, sagte die Unglückliche. »Ich habe nichts Unrechtes getan!«
»Nein?«, sagte er. »Dann wirst du ja auch nichts dagegen haben, Lilys Fragen zu beantworten.« Er machte eine leichte Bewegung mit der Hand. Rule stellte sich zwischen die beiden Frauen.
»Cullen, würdest du bitte die magischen Lichter ein bisschen tiefer herunterlassen?« Denn Lupi mochten sich nach dem Geruch richten, aber Lily musste ihre Gesichter sehen. »Danke«, sagte sie, als die Lichter sich hüpfend auf Kopfhöhe senkten. »Wir kennen uns noch nicht«, sagte Lily zu den beiden Frauen, »aber ich nehme an, ihr wisst, wer ich bin. Wie heißt ihr?«
»Sherrianne«, sagte die Blonde. »Sherrianne Jacobson. Ich bin Sams Tochter.«
Lily blinzelte. Sam war ein Drache … aber offenbar war ein anderer Sam gemeint.
»Sam Posey«, sagte Isen. »Er führt jetzt das Weingut, aber er hat viele Jahre hier gelebt. Sherrianne ist auf dem Clangut aufgewachsen, dann aber weggezogen. Auf Drängen ihres Vaters ist sie bald, nachdem die Kampfhandlungen begannen, zurückgekehrt – sie und ihr Sohn Will. Er ist ein
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, kein Lupus, und sie und ihr Ex haben das gemeinsame Sorgerecht. Ich glaube, Will ist jetzt in den Ferien bei seinem Vater.«
Sherrianne nickte traurig. »Können wir unter vier Augen reden?«
»Du wirst jetzt mit Lily reden.«
Lily sagte: »Einen Moment.« Sherrianne mochte sich nicht freiwillig gemeldet haben, doch nun wollte sie ihr Herz erleichtern. Ob ihr
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