Unsterbliche Bande
dich nach Cullen Seabournes Werkstatt gefragt.«
Als Brenda nicht antwortete, tat Rule es für sie, indem er kurz die Ohren und den Schwanz senkte und nickte.
Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, das habe ich nicht verstanden.«
»Er meint«, sagte Isen, »dass sie sich schuldig fühlte, als du die Frage stelltest.«
Ein Nicken und ein gesenkter Schwanz … »›Böser Hund‹ heißt also Schuldbewusstsein, hm?«
Rule schnaubte. Das konnte alles von Gelächter bis zu Empörung sein, aber dieses Mal bedeutete es wohl eher so etwas wie »Mach dich nicht lächerlich«. Lupi mochten es nicht, wenn man sie mit Hunden verglich.
Außerdem schweifte sie ab, und zwar gewaltig. Was als Nächstes kam, war … heikel. Sie glaubte zu wissen, was Isen vorhatte, aber falls sie sich irrte, wäre das der Moment, in dem die Sache aus dem Ruder lief. Sie sah Brenda mit festem Blick an und ließ das Schweigen noch ein bisschen andauern. Endlich sagte sie leise: »Brenda. Sieh mal nach links.«
Sie tat es, eher aus Überraschung als aus dem Willen heraus zu gehorchen, und sah dann stirnrunzelnd Lily an. »Was ist denn?«
»Siehst du all diese Leute, die da sitzen? Mehr als vierzig Personen haben sich auf Isens Frage hin gemeldet. Vierzig Personen, die keine Angst haben zu sagen, wer ihnen Fragen über Cullens Werkstatt gestellt hat. Aber du, du hast Angst, nicht wahr? So viel Angst, dass du nicht zugibst, dass du mit deinem Geliebten darüber geredet hast. Du schützt ihn. Du glaubst, dir könnte nichts passieren, aber ihm vielleicht.«
»Er hat nicht mit mir darüber geredet«, sagte sie schnell. »Es war jemand anders. Ich will nicht, dass, äh, sie Ärger bekommt, das ist alles.« Sie war so eine schlechte Lügnerin. Lily musste nicht erst Rules langsames Kopfschütteln sehen, nicht nachdem das Mädchen vor dem Pronomen gezögert hatte. »Du glaubst, er braucht Schutz. Du hast Angst, dass er zu viele Fragen gestellt hat. Dass sein Interesse nicht nur reine Neugier war.«
Schweigen.
»Glaubst du, dass ich nicht herausfinde, wer er ist?«
»Er war es nicht. Das habe ich dir doch gesagt. Es war eine Frau. Sie hat überhaupt nichts mit den Clans zu tun. Ich habe die Information an sie verkauft. Ich war wütend, so wie Isen gesagt hat. Ich wollte nicht hier sein, sondern an der Uni, deswegen habe ich … habe ich die Information verkauft.«
Rule schüttelte den Kopf.
»Halt«, knurrte Isen. Er ging zu ihnen – nein, es war mehr ein langsames Schreiten, das einen Meter vor Brenda endete. Er sagte kein Wort, doch sie drehte sich langsam um, um ihn anzusehen. Dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck, als nach und nach aus dem Trotz Furcht wurde. Isen starrte sie weiter an und donnerte: »Sie hat gestanden! Sie gibt zu, dass sie die Information über die Werkstatt an einen Menschen verkauft hat. Sie hat die Nokolai vorsätzlich verraten, wissentlich –«
»Nein!«
Der schlanke junge Mann, der den Ruf ausgestoßen hatte, stand im Trupp der Laban. Er wollte zu ihnen laufen, doch der Mann zu seiner Linken packte seinen Arm. »Hank –«
Er schüttelte seinen Clansmann ab und ging weiter. »Sie ist unschuldig«, sagte er laut. »Die Auserwählte hat recht. Sie hofft, mich beschützen zu können. Ich war derjenige, der die Information verkauft hat, nicht Brenda. Sie wusste nichts davon.«
Lily stieß die Luft aus und merkte erst jetzt, dass sie sie angehalten hatte. Sie hatte recht gehabt. Das war es, worauf Isen aus gewesen war – nicht auf Brendas verpfuschtes Geständnis, sondern auf das, was sie nun hören würden.
Doch noch war nichts gewonnen. Denn auch er log.
12
Hank Jamison war siebenundzwanzig – nach den Maßstäben der Lupi zwar erwachsen, aber noch sehr jung. Er war groß und schlank und schön, mit großen, dunklen Augen und einer Extraportion dieser körperlichen Anmut versehen, die allen Lupi eigen war. Er sah aus wie ein Renaissancedichter, der nebenbei als Seeräuber arbeitet. Ihm hätte jeglicher Kontakt mit Frauen unter vierzig verboten werden sollen.
Hank beharrte ruhig und entschieden darauf, dass er der Schuldige sei. Sein Rho habe nichts damit zu tun, überhaupt nichts. Es sei Gier gewesen. Er habe Geld gebraucht, und jemand – wer, weigerte er sich zu sagen – hatte ihn gut dafür bezahlt, dass er ihm Cullens Geheimnisse verriet. Das alles erklärte er völlig emotionslos.
Hanks Körperkontrolle war gut, und er war clever genug, die Klappe zu halten, nachdem er seine Erklärung abgegeben
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