Unsterbliche Bande
Geständnis nützlich war, musste sich erst zeigen, aber Lily wollte sie noch ein wenig schmoren lassen. Sie sah die dunkelhaarige junge Frau an. »Und du?«
Sie blickte nicht auf. Ihre Stimme war leise. »Brenda Hyatt.«
»Ich habe dich schon auf dem Clangut gesehen.«
Brenda antwortete nicht – aber zum ersten Mal sah sie Lily direkt an. Ihre Augen waren dunkel, voller Gefühl. Zorn war da, ganz deutlich. Und Trotz. Schnell senkte sie den Blick wieder.
Trotz, das war normal in einem gewissen Alter, aber Brenda begann Lily zu interessieren. »Wie alt bist du, Brenda?«
»Ich verstehe nicht, warum ich deine Fragen beantworten muss.«
Lily lächelte. Oh ja, Brenda interessierte sie sehr. »Wenn es dir nicht genügt, dass der Befehl von Isen kommt, dann wird dich vielleicht meine Marke überzeugen. Special Agent Lily Yu, Einheit Zwölf, FBI . Während ich mit Sherrianne spreche, kannst du über deine Rechte und Pflichten als Bürgerin nachdenken.« Sie ruckte leicht mit dem Kopf, um der anderen Frau zu bedeuten ihr zu folgen.
Selbstverständlich würde es kein Gespräch unter vier Augen werden. Nicht, wenn so viele Lupi in der Nähe waren. Aber sie würde der Frau zumindest das Gefühl geben, sie wären unter sich. Ein paar Schritte weiter blieb Lily stehen.
Sherrianne folgte ihr, Rule an ihrer Seite. Er würde als Lügendetektor fungieren. Menschliche Fachleute fragten sich, wie man feststellen konnte, ob jemand log und ob es überhaupt möglich war. Lupi wussten, dass es so war – was sie selbst anging. Die Mischung aus Stress, Angst und Schuldbewusstsein bei einer Lüge hatte eine subtile chemische Signatur, die sie riechen konnten, wenn sie in Wolfsgestalt waren. Am einfachsten war es, wenn der Lügner ein Lupus war, der von seinem Rho oder Lu Nuncio zur Rede gestellt wurde; angeblich konnte dann kein Lupus erfolgreich lügen. Bei Menschen war es schwerer, aber Lügen, bei denen viel auf dem Spiel stand, waren leichter zu durchschauen, vor allem bei einfachen Menschen. Da waren die Gefühle stärker.
Sherrianne musste darüber Bescheid wissen. Ihr Blick flog immer wieder zu Rule – nicht sehr viel tiefer, denn er war ein wirklich großer Wolf – aber sie wirkte nicht ängstlich. Nicht glücklich, aber nicht ängstlich.
Lily wandte sich zu der Zeugin um. »Möchtest du mir sagen, warum du dich schuldig fühlst?«
Sherrianne beugte sich näher vor zu ihr und begann etwas zu flüstern.
»Ich bin kein Lupus. Du musst schon lauter sprechen.«
Sherrianne seufzte schwer. »Ich nehme an, sie hören mich sowieso.«
»Zumindest einige von ihnen.«
Noch ein Seufzer. »Das ist mir alles so peinlich. Ich habe gesagt, es ging nicht um die Werkstatt. Es ging um ihn.« Ihr Blick glitt nach links, dorthin, wo Cullen stand. »Cullen. Er ist verheiratet, weißt du.«
»Ja, das weiß ich.« Der einzige verheiratete Lupus auf dieser Erde. Was sich im März ändern würde, aber im Moment war Cullen es noch.
»Und ich – na ja – die anderen haben mir gesagt, dass er es wirklich ernst meint. Dass er monogam sein will. Ich habe ihnen nicht geglaubt und wollte … ich meine, sieh ihn dir doch an. Wer würde das nicht tun? Aber zuerst ist es mir nicht einmal gelungen, ihn irgendwo zu treffen. Immer war er entweder in der Werkstatt oder bei Cynna und Ryder, deswegen habe ich mich nach seiner Werkstatt erkundigt, was er da tut und wann er wahrscheinlich dort ist und so weiter. Ich dachte, du weißt schon, ich könnte auf diese Weise ein Treffen arrangieren. Deswegen fühle ich mich schuldig, weil ich mit anderen über seine Werkstatt geredet habe. Aber ich habe nichts Unrechtes getan.«
»Ich glaube nicht, dass das alles ist.«
Sherrianne riss die blauen Augen noch weiter auf. »Doch!«
Rule schüttelte den Kopf.
»Nein, ist es nicht.«
Sie warf Rule einen bösen Blick zu, so als hätte er gepetzt. »Ich glaube, ein bisschen fühlte ich mich auch schuldig wegen Cynna. Sie kann ja eigentlich gar nicht erwarten, dass er ihr treu ist, oder? Aber ich mag sie, und ich … ich habe ihn nicht auf dem Weg zu seiner Werkstatt abpassen können –«
Rule schüttelte den Kopf.
»Oh, na gut! Ich habe ihn getroffen, und er hat mir gesagt, dass ich weggehen soll, aber ich hatte gehört, dass er immer sehr grob ist, wenn er gestört wird, also habe ich das nicht so verstanden, als hätte er mich abgewiesen. Deshalb habe ich mich sozusagen mit Cynna angefreundet, weil er mit ihr viel Zeit verbringt. Mit ihr und Ryder.«
Rule
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