Unsterbliche Gefährten - das böse Blut
flüstert in mein Ohr, seine Stimme klingt grimmig.
„Du hast mich erschreckt“, sage ich vorwurfsvoll zu ihm.
„Dann sind ja doch noch Gefühle in dir, dann lebst du ja noch.“
Er lacht kurz auf. „Dann gibt es ja noch Hoffnung.“
Ich schließe meine Augen wieder.
„Es gibt keine Hoffnung mehr, Nicki. Ich atme nicht mehr, also hoffe ich auch nicht. Ich habe jegliche Hoffung verloren, sie ist verschwunden.“
„Natascha? Darf ich dir mal etwas sagen, ohne …“ Er legt eine kurze Pause ein, dann holt er Luft, ich kann es in meinem Rücken spüren.
„Ohne dass du mich vor lauter Wut umbringst?“
Ich verziehe den Mund zu einem Lächeln. „Sicher.“
„Es wird dir bald besser gehen, du … du wirst darüber hinwegkommen. Du hast noch ein langes Leben vor dir, du kannst noch viel erleben. Ich glaube nicht, das Ansgar will, das du es beendest.“
Ich denke über seine Worte nach, darüber hinwegkommen, ein langes Leben vor mir, Ansgar will nicht, dass ich es beende.
Seine Worte schwirren in meinem Kopf herum, sie formen sich neu: Er will, dass du es beendest, du hast ein langes Leben mit Ansgar vor dir, du kannst mit ihm noch viel erleben.
So klingen Nickis Worte doch schon viel sinnvoller für mich.
„Du hast recht“, sage ich langsam, „du wirst darüber hinwegkommen, und Josh auch. Lass mich jetzt bitte allein.“
„Natascha, ich … ich glaube, du hast mich falsch verstanden.“
„Ich habe dich sehr gut verstanden, Niklaus, geh jetzt bitte“, knurre ich kalt.
Er löst zögernd seine Arme von meiner Mitte und murmelt:
„Ich bin immer für dich da, vergiss das nicht. Ansgar war mein Bruder. Ich werde auf dich aufpassen.“
Dann ist er verschwunden.
Ja, denke ich, Ansgar war dein Bruder, und doch hast du ihn so einfach gehen lassen. Du hast nicht mal um ihn gekämpft, du hast einfach … losgelassen.
Zum wiederholten Mal sehe ich Ansgar, wie seine Finger aus meiner Hand rutschen, wie ich ihn nicht mehr alleine halten kann. Ich kneife die Augen zusammen, und schüttele den Kopf, aber die Bilder bleiben. Sie haben sich in mir eingebrannt, ich werde sie nicht mehr los.
Du wirst auf mich aufpassen und bist immer für mich da, denke ich weiter über Nickis Worte nach. Ich brauche keinen Aufpasser, ich brauche etwas ganz anderes. Ich brauche einen Mörder – ich brauche dringend jemanden, der mich tötet. Ich bin zu feige dafür, es selbst zu tun. Ich will, dass es jemand anderes macht, jemand dem ich vertraue, den ich kenne.
Josh zum Beispiel oder eben Nicki, falls Josh kneift. Ich senke meine Arme an meinem Körper herab und springe von der Stadtmauer. Du bist immer für mich da, hast du gesagt, mal sehen, ob das stimmt.
Ich laufe zurück zu Joshs Buchladen, und setze mich in den Hinterhof.
Mittlerweile ist die Dämmerung hereingebrochen, es ist schön hier, ruhig und einsam. Wie erwartet, brauche ich nicht lange hier zu sitzen, bis einer von den beiden auftaucht – mein Geruch ist einfach zu stark. Josh kommt durch die Hintertüre, setzt sich neben mich und nimmt meine Hand.
„Meine Süße, wie geht es dir?“
Ich sehe ihn an und lächle.
„Josh, würdest du mir einen Gefallen erweisen?“
Er blickt mich an und seine Augen ziehen sich düster zusammen, sein Blick wird hart, die schönen blauen Augen verändern sich, sie werden zu Raubtieraugen, aus seinem Inneren ertönt ein lautes Knurren.
„Nein“, stößt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und lässt meine Hand los.
„Ich werde das nicht tun.“
Ich sehe ihn verständnislos an. „Josh, was ist mit dir? Ich wollte dir nur sagen, dass du mich bitte nicht mehr fragen sollst, wie es mir geht. Ich kann es nicht mehr hören.“
Ich schüttele den Kopf.
„Was hast du denn gedacht?“
Er blickt verschämt zu Boden und murmelt: „Verzeih mir, ich … ich bin wohl schon etwas verrückt.“
„Was hast du nur gedacht Josh?“
Er starrt immer noch vor sich auf den Boden.
„Ich dachte, du wolltest mich bitten dich umzubringen, es tut mir leid, Natascha. Ich …“
Ich sehe ihn düster an. „Das würde ich dir niemals antun, Josh. Ich würde nicht so weit gehen, dich darum zu bitten.“
Ich schüttle erneut meinen Kopf und blicke ins Nichts.
„Niemals würde ich das tun, Josh – niemals.“
Josh erhebt sich. „Es tut mir leid, Natascha, bitte verzeih mir.“
„Ist schon gut“, murmele ich.
Josh atmet auf und fragt mich: „Willst du noch etwas trinken, oder vielmehr überhaupt mal was
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