Unsterbliche Küsse
Weise wissen wir, ob sie wirklich abfliegt oder am Ende nur irgendwo unterschlüpft.«
»Sebby, ich kann nicht …«
»Du kannst sehr wohl, Emily. Lass mich nicht hängen.« Er legte abrupt auf. Sollte sie ihren blöden Job doch verlieren. Das interessierte ihn nicht. Er hatte zu tun, und nun steckte auch noch Valerie ihren Kopf durch die Tür und laberte etwas davon, es würde ihn jemand dringend sprechen wollen.
»Ohne Termin? Der Typ soll morgen wiederkommen«, raunzte Sebastian, ohne von den Papierbergen auf seinem Schreibtisch aufzusehen.
»Es ist der Arzt, der bei dieser LePage wohnt.« Sein Kopf schnellte hoch. »Dr. Corvus«, sagte sie und legte eine blütenweiße Visitenkarte vor, »würde gerne die Angelegenheiten von Miss LePage besprechen.«
»Der kann mir …« Sebastian starrte auf den Mann hinter Valeries Schultern.
»Entschuldigen Sie, dass ich einfach so reinplatze, aber Ihre Sekretärin wirkte etwas überfordert. Am besten, ich erkläre Ihnen alles selbst.« Dieser ruhigen Stimme konnte niemand widerstehen.
»Ich habe nicht viel Zeit für Sie.« Sebastian wedelte mit der Hand geschäftig über dem Schreibtisch, aber das Chaos erweckte alles andere als den Eindruck einer florierenden Kanzlei.
»Nur zehn Minuten«, schlug Corvus vor und zog eigenmächtig einen Stuhl heran. »Ihre Sekretärin brauchen wir wohl nicht zu bemühen. Wir kommen auch ohne sie zurecht.«
Valerie zog sich nach einem Kopfnicken Sebastians zurück. Er nahm sich die Visitenkarte vor, sah sie sich genau an und tippte dann mit dem Finger darauf. Teuer. »Was kann ich für Sie tun, Dr. Corvus?«
»Jede Menge. Ich bin ein alter Freund von Dixie LePage. Sie ist nach Hause zurückgekehrt und hat mich gebeten, zu regeln, was noch zu regeln ist.« Er lächelte, nein, es war eher ein süffisantes Grinsen.
»Ich behandle die Angelegenheiten meiner Klienten streng vertraulich.« Sebastian stand auf, stützte die Handflächen auf den Schreibtisch. »Tut mir leid.«
Daraufhin bekam er ein zusammengefaltetes Dokument ausgehändigt. »Meine Vollmacht.«
Während er es las, nahm Sebastian wieder Platz. Es war vom Montag datiert, stammte von einer Kanzlei in der Curzon Street und erteilte Dr. Justin Corvus eine begrenzte Vollmacht, begrenzt auf ihre Konten und Anlagebestände sowie den Verkauf des Hauses.
»Sie können sich gerne an meine Anwälte wenden …«
Sebastian hasste diesen Kerl; ersticken sollte er an seiner aalglatten Höflichkeit. »Genau das werde ich tun. Ich bin sicher, Sie haben Verständnis.«
Corvus nickte knapp. »Dixie wüsste Ihre Sorgfalt im Umgang mit ihren Angelegenheiten sehr zu schätzen.«
Dieses verdammte Frauenzimmer! Da hatte sie ihm zum Abschied ein schönes Ei ins Nest gelegt. Er wählte die Nummer der Telefonauskunft. Warum zum Teufel erledigt das nicht Valerie? , dachte er, als er die Londoner Nummer wählte und in die Warteschleife gestellt wurde, wo man ihm Musicalmelodien aus den 50er-Jahren vordudelte. Schließlich bekam er eine Anwaltsgehilfin an die Strippe. Eine Gehilfin!
»Hallo«, sagte eine dünne, näselnde Frauenstimme. »Sie hatten eine Frage bezüglich einer unserer Vollmachten.« Das klang so, als hätte er sich eine Unverschämtheit geleistet.
»Ich wollte mich nur absichern. Der Besitz meiner Klientin ist nicht unerheblich.«
»Ich weiß«, fuhr die Stimme fort, »sie hat am Montag darüber gesprochen. Sie können aber getrost davon ausgehen, dass bei Dr. Corvus alles in besten Händen ist. Sein Anlagevermögen ist beachtlich. Ich wünschte, er würde sich auch meiner Bestände annehmen«, fügte sie unprofessionellerweise hinzu.
»Sieht so aus, als sei alles in Ordnung«, sagte Sebastian zu Corvus und hätte ihn dabei am liebsten auf den Mond gewünscht.
Er lächelte und ließ die dunklen Augen amüsiert aufblitzen. »Gut. Wenn Sie dann die erforderlichen Unterlagen heraussuchen würden. Ich gehe in der Zwischenzeit zur Bank.«
Zurück ließ er einen ratlosen Sebastian, der sich fragte, was nun aus seinen Plänen werden sollte, die einzustürzen drohten wie ein Kartenhaus.
»Wohin also soll’s jetzt gehen?«, fragte der Taxifahrer und warf im Rückspiegel einen kurzen Blick auf Dixie, während er sich in den Verkehr einfädelte.
»Ich muss nach Yorkshire.«
»Das ist weit außerhalb unseres Einsatzbereichs. Sie haben doch London gesagt.«
»Ich mein ja auch London. Ich will per Bahn nach Yorkshire.«
»Kings Cross also, warum denn nicht gleich«, brummte er.
Dixie
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