Unsterbliche Küsse
aus; auf zwei schmelzenden Eiswürfeln lag eine zerbissene Zitronenscheibe. »Ich brauche noch einen.«
»Erzählen Sie mir alles über Emily, Sebastian und die Bombe, und Sie kriegen ’ne ganze Flasche.«
»Emily ist Sebastians Geliebte, schon seit Jahren, glaubt aber, dass es niemand weiß. Sie war immer voll und ganz auf seiner Seite. Aus irgendeinem Grund hat sich das geändert, denn sie wollte, dass ich mit dieser Information zur Polizei gehe. Ich habe ihr gesagt, dass man mich dort auslachen würde.«
»Und mich würde man nicht auslachen? Ohne Beweise …«
»Hören Sie zu!« Idas knochige Hände griffen nach ihr, und sie erschrak fast, als sie die Wärme spürte. Fühlten sich so Sterbliche an? »Sebastian war hinter den Unterlagen Ihrer Tante her. Zuerst stellten Sie sich ihm in den Weg, dann begannen Sie, Marlowe zu erpressen. Zu dem Zeitpunkt fiel der Entschluss, Sie aus dem Weg zu räumen.«
»Wie kamen sie denn auf die irrige Idee, ich würde Christopher erpressen?«
Idas dunkle Augen verfinsterten sich. »Emily arbeitet auf der Bank und weiß von daher, dass Geld geflossen ist.«
Der Scheck für die Bücher! Und Sebastian hielt die Summe für Schweigegeld. »Praktisch, wenn man überall seine Informanten sitzen hat.«
Ida überging das. »Bei dem Anschlag wurden aber nicht Sie, sondern mein Stanley getötet. Nun hat Sebastian Emily berichtet, er hätte Sie in Yorkshire erwischt. Er hat ihr versichert, Sie seien endgültig tot.« Ihre alten Schultern sackten nach unten. »Sie glauben mir nicht.«
»Doch! Jedes Wort.«
»Werden Sie zur Polizei gehen?«
Wohl eher nicht. »Vielleicht. Aber eine Sache verstehe ich nicht: Warum hat Emily Ihnen das alles erzählt?«
»Emily hat Sebastian mit seiner Sekretärin in flagranti erwischt.«
Dixie musste unwillkürlich grinsen bei der Vorstellung, wie diese pingelige Valerie zerzaust auf Sebastians Teppich lag. Warum auch nicht? Was bedeutete schon, nach einem Mord, ein bisschen Untreue? »Welche Rolle spielen meine Tanten in dieser Geschichte?«
»Sie gehörten ebenfalls dem Zirkel an und verfügten über uraltes Wissen. Mich haben sie ausgebildet. Aber nachdem Sebastian dem Zirkel beigetreten war, wollte er die schwarze Magie durchsetzen und darüber hinaus ihre Unterlagen allen Mitgliedern zur Verfügung stellen. Sie weigerten sich – aber sie waren alt …«
»Und leicht zu erschrecken und in den Tod zu jagen?«
Idas Augen verfinsterten sich. »Seien Sie sparsam mit Mitgefühl. Die Alten haben selbst einige Menschen auf dem Gewissen. Die arme Jennie Waite zum Beispiel ging ins Wasser, nachdem sie ihr gedroht hatten, ihrem Mann den wahren Vater ihres Kindes zu nennen, und unser alter Doktor Miles nahm sich mit Schlaftabletten das Leben, genau zwei Tage nach einer Tee-Einladung bei den Alten. Sie waren böse, abgrundtief böse.«
Dem hatte sie nichts entgegenzusetzen. »Nun können sie kein Unheil mehr anrichten, wie Sebastian auch – hoffe ich zumindest.«
Idas Gesicht erhellte sich hoffnungsvoll. »Sie gehen zur Polizei!«
»Ich nehme die Sache in die Hand.«
Bald. Nun brauchte sie frische Luft. In dem stickigen Pub hatte sie Kopfschmerzen bekommen, und ihr Zahnfleisch juckte.
Vielleicht war ja der Portwein keine so gute Idee gewesen. Ida klopfte an ihr leeres Glas, und Dixie kapierte sofort.
Sie kam mit einem weiteren Glas Gin zurück sowie einer ganzen, noch ungeöffneten Flasche. »Ich zahle meine Schulden.«
Ida starrte sie fassungslos an. »Was wird Monica sagen, wenn ich damit nach Hause komme?«
»Sagen Sie, die Flasche kommt von einer durchgeknallten Amerikanerin.«
James traute seinen Augen nicht. Er war doch nicht so betrunken. Zum Teufel, er konnte überhaupt nicht betrunken sein. Er hatte nur zwei Scotchs gehabt, und mehr bekam er in der Regel auch nicht. Aber egal, ob nüchtern, beschwipst oder sturzbesoffen, diese Gestalt mit dem kastanienfarbenen Haar würde er jederzeit wieder erkennen. Soweit also Sebastians Versicherung. Miss Dixie weilte nach wie vor unter uns.
Sein lieber Onkel behauptete, er hätte ihr das Licht ausgepustet. Da hatte er aber andere Neuigkeiten für ihn. Oder, vielleicht noch besser, eine Chance, ihn auf seinem ureigenen Feld zu schlagen. Zwar standen ihm in Surrey keine Klippen zur Verfügung, dafür gab es aber eine Menge einsame Gassen zwischen dem Bell und Orchard House. Er kippte seinen Whiskey und verließ die Bar, die Hand fest um das Messer in seiner Hosentasche geschlossen.
Sie hatte
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