Unsterbliche Küsse
Begleitung gehabt, Ida Collins. Diese alte Schachtel! Er hätte ein Vermögen dafür gegeben, zu erfahren, worüber die beiden sich unterhalten hatten.
Dixie begleitete Ida noch bis ans Gartentor und machte sich dann, in der Geschwindigkeit Normalsterblicher, auf den Weg nach Bringham. Sie brauchte Zeit und Ruhe, um ihren nächsten Schritt zu planen.
Sie konnte nicht einfach bei Inspektor Jones aufkreuzen, um ihm zu sagen »eine alte Bekannte von mir glaubt« oder »Stanleys Mutter hat gesagt«. Was sie eigentlich anstrebte, war Sebastians Geständnis. Aber sie wollte ja stets das Unmögliche.
Auf dem Nachhauseweg an Weißdornhecken entlang dachte Dixie an die Nacht zurück, in der sie Christopher in ihrem Garten begegnet war. Jene Nacht, in der sie Licht in der Bibliothek gesehen und den Eindringling gestört hatten. Jene Nacht, in der er sie im Gebüsch umarmt und sie seinen Vampirgeruch wahrgenommen und für Aftershave gehalten hatte. Sie wollte ihn bei sich haben. Eng. Aber nicht jetzt. Nicht bevor sie im Reinen war mit sich selbst, ihrer Vergangenheit, der Ewigkeit und der Notwendigkeit, Blut zu trinken.
Sie war nach Bringham zurückgekehrt, um in aller Ruhe nachzudenken, und kam doch zu keinem Ergebnis. Sollte sie nicht doch Justins Rat folgen und die Dinge auf sich beruhen lassen? Nein. Sie wollte Christophers guten Ruf wiederherstellen, nur über ihre Vorgehensweise war sie sich nicht im Klaren. Die Düfte der Nacht strömten auf sie ein: Geißblatt, frische Erde und Kuhdung auf den Feldern. Dazu raschelte es beständig in den Hecken, von der Hauptstraße im Osten ertönte ein gedämpftes Brummen, und ab und an erschreckte sie der Ruf eines Nachtvogels.
Schritte hinter ihr.
Dixie schnellte herum und erkannte eine dunkle Gestalt, einen Mann, zehn Meter hinter ihr. Er erstarrte und blieb unvermittelt stehen, an seiner Hand blinkendes Mondlicht.
»Drecksstück!«, rief er und stürmte auf sie zu. In der Hand hielt er offenbar ein Messer. Die Klinge ging bereits auf sie nieder, als sie ihn an den Handgelenken packte, sie hochstemmte und so die Klinge von ihrem Gesicht ablenkte.
Dixie vernahm ein trockenes Knacken und einen lauten, durch die Nacht hallenden Schrei. Der Angreifer fiel nach hinten und knallte mit dem Kopf auf den Asphalt, dass es klirrte wie berstende Dachziegel. Dixie setzte sich rittlings auf ihn und spürte Angst und Wut in ihrer Kehle aufsteigen, als sie das Gesicht im Mondlicht erkannte. James! Also nicht Sebastian, sondern die nächstbeste Sache, wobei die Betonung natürlich auf Sache lag.
Er mochte vielleicht brüllen wie ein brünstiger Elefant, lag aber eher wie ein zerbrochener Hampelmann auf der dunklen Straße. »Du hast mir die Arme gebrochen! Das wirst du mir büßen!«
»Träum weiter, Jimbo!« Schweißperlen traten auf seine Stirn. Er grinste verächtlich oder vielleicht auch vor Schmerzen. »Das hast du dir anders vorgestellt, nicht wahr.«
Seine Augen, von purem Hass erhellt, blitzten fahl im Mondschein. »Freu dich nicht zu früh, Schlampe. Wir kriegen dich trotzdem!«
»Wer ist wir? Der Zirkel?«
»Mach dir darüber keine Gedanken.« Er sprach, als würde er Gift sprühen. »Dir wird das Lachen schon noch vergehen. Du wirst verrecken, so wie Marlowe, aber dich muss man nicht einmal anpflocken.«
Sie kochte vor Wut. »Du warst dabei?«
»Du hattest was mit ihm, oder? Dacht ich mir. Wir wollten dir einen Gefallen tun und haben ihn beseitigt. Er war eh kein englischer Gentleman, sondern ein widerlicher Blutsauger. Und so haben wir ihn in der Morgensonne geröstet.«
Hass trübte ihren Blick, und sie raste vor Wut angesichts dieses Spotts. Ihr tat der Mund weh. Ihr Zahnfleisch juckte wie verrückt. Sie öffnete den Mund, wie um Atem zu holen, es wurde jedoch ein Gähnen daraus, das die ganze Welt verschlucken konnte. Er schrie, immer wieder, als flehte er den Himmel um Hilfe an. Die Augen vor Schreck geweitet, wand er sich unter ihr, aber er lag fest im Zangengriff ihrer Beine.
Unbekannte Instinkte trieben sie an. Der Schreck in seinen Augen zog vorüber wie in einem Traum. Sein Blutdruck raste. Sein Herz klopfte laut, bis die Schläge als Echo durch die Nacht hallten. Er bockte, bäumte und wand sich weiter mit aller Kraft, um ihr zu entkommen, bis sie sich schließlich, ohne nachzudenken und wie von Sinnen, über ihn beugte und in seine Halsschlagader biss.
Sie trank, schlürfte genüsslich und saugte sich voll. Eine süße Wärme erfüllte ihren Mund, kitzelte
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