Unsterbliche Küsse
verstand jedes Wort. Ein Blick nach oben bestätigte, dass das Licht im oberen Stockwerk noch immer unterwegs war. Noch während sie schaute, völlig perplex, spürte sie seine Hand an ihren Händen; er knipste die Taschenlampe aus und zog sie zwischen zwei dornige Büsche. Sie versuchte sich mit den Tricks, die sie im Selbstverteidigungskurs gelernt hatte, zu befreien, aber es funktionierte nicht. Etwas kratzte an ihrem Knöchel, und ein Zweig fuhr ihr mitten durchs Gesicht. Dann legte er einen Arm um ihre Schultern und drückte sie gegen seine harte Brust. Sie wollte ihn noch mit der flachen Hand wegdrücken, aber seine Brust fühlte sich an wie Stahl, und sein Arm umklammerte sie wie ein Schraubstock. »Lassen Sie mich los.«
»Sofort.«
Nichts tat sich.
»Wann denn nun? Nächste Woche vielleicht? Da treibt sich jemand in meinem Haus herum, und ich will wissen, wer das ist.«
»Dieses › My home is my castle ‹-Getue ist zwar beeindruckend, aber ziemlich töricht, auch wenn der Engländer diesen Spruch gerne auf den Lippen hat.«
Das war zu viel.
»Ich bin eine Frau und Amerikanerin, sollten Sie das noch nicht bemerkt haben.«
»Klar hab ich’s bemerkt.« Daran konnte kein Zweifel bestehen. Ihr Busen war schon ganz flach gedrückt an seiner Brust.
»Wollen Sie mich noch diese Woche oder erst nächste Woche loslassen?«
»Sofort, wenn Sie versprechen, nicht gleich loszustürmen, um Ihr Haus zu retten.«
»Immerhin mein Haus, in dem sich Einbrecher herumtreiben.«
»Und die sind heutzutage mit Pistolen, Messern, Tränengas und Fahrradketten bewaffnet. Lassen Sie’s«, flüsterte er, »vertrauen Sie mir.«
»Nennen Sie mir einen guten Grund.«
»Ich bin nicht derjenige, der hinter den Erstausgaben Ihres Urgroßvaters her ist.« Damit hatte er recht. Das Licht bewegte sich wieder, verschwand und tauchte etwas weiter unten wieder auf.
»Der Typ nimmt sich wirklich Zeit«, flüsterte Christopher ihr ins Ohr und zog sie zu sich an die Wand heran. Seine Arme legten sich locker um ihre Schultern.
»Wer?«
»Dass ich es nicht bin, wissen Sie. Wer könnte denn sonst noch rein?«
»Sebastian, aber der macht Kaffee für Emily.«
Sie hörte, wie er vor sich hin kicherte, trotzdem blieb seine Brust völlig reglos. »Also haben Sie seinen Verführungskünsten widerstanden?«
»Das war nicht weiter schwer.«
Selbst ein Lachen bewirkte keinerlei Bewegung in seiner Brust. Wo trainierte dieser Mann bloß?
»Schluss jetzt damit.«
Sie war gekommen, um einen Einbrecher zu stellen, nicht, um sich über Sebastians Avancen zu unterhalten.
»Wer auch immer es ist, die betreffende Person hat zumindest keine Angst davor, nachts in ein Geisterhaus einzudringen.«
»Ich bitte Sie!«
»Die Dorfbewohner glauben, Ihre Tanten spuken in dem Haus herum.«
»Ich nicht. Ich glaube nicht an Geister und schon gar nicht an solche mit Taschenlampen.«
»Sie waren außerdem der Meinung, dass es Hexen waren.«
»Hexen gibt’s in meinen Augen auch keine.«
»Was für eine Frau. Schert sich weder um Hexen noch um Geister. Und wie steht’s mit Feen, Elfen und Kobolden?«
»Sind mir auch egal, genauso wie Hobbits.«
»Und wie steht’s mit …«
Er zögerte.
»… mit Vampiren?« Während er das sagte, glitten seine Finger kühl an ihrem Nacken entlang.
An der Stelle trat sie ihm entschieden auf den Fuß. Er zuckte weder zusammen noch zurück, sondern sah ihr bloß ins Gesicht.
»Nur bei Anne Rice. Lassen Sie doch endlich den Unsinn! Ich bin nicht hier, um herumzualbern. Überhaupt, was machen Sie eigentlich hier?«
»Dasselbe wie Sie. Ich bin zufällig vorbeigekommen und hab Licht gesehen.«
Er zischte die Worte fast, als er sie von sich wegschob. An ihren Schultern spürte sie die Kühle der Nacht. Dann beobachtete er kurz das Fenster.
»Ich kümmere mich darum. Gehen Sie ins Auto zurück und verriegeln Sie die Türen. Noch besser, Sie fahren gleich nach Hause.«
»Ich geh hier nicht weg, solange dieser Kerl da drin ist.«
Er hielt einen Moment inne, wie um Atem zu holen, aber Dixie hörte keinerlei Atemgeräusch. »Wir könnten versuchen, ihm einen Schrecken einzujagen, ihn vertreiben, ehe er was klauen kann. Einverstanden?«
Warum nicht? Immerhin ging es um ihren Besitz. »Was soll ich machen?«
»Sie schleichen sich raus, setzen sich ins Auto und verriegeln die Tür.«
Seine Stimme klang wie immer, dabei schaute er sie aber mit einer Eindringlichkeit an, die sie erbeben ließ. Derart nah schien sein Auge
Weitere Kostenlose Bücher