Unsterbliche Küsse
würde.
Hinter ihm ging eine Türe auf. Außerhalb dieser Kältehölle schien offenbar die Sonne. Die Tür ging wieder zu. Ein sterbliches Wesen stand über ihm, schwer atmend und Hass verströmend. So roch nur einer – Caughleigh.
»Tut mir leid, wenn ich deinen Sonntagnachmittagsschlaf störe. Ich wollte kurz nachsehen, wie es so geht.« Er wurde von einer Hand an den Haaren gepackt und gezogen. Früher hätte Christopher diese Hand zermalmen oder Sebastian mit seinem Willen zum Schweigen bringen können. Nun wurde er von Sebastians zupackendem Griff hochgezogen, was ihm bis in die Hüften hinein wehtat. Er fühlte, wie sich sein Gesicht verzerrte, als ihm ein Lichtstrahl ins Auge fiel. »Geht’s dir nicht gut, alter Junge? Koste es ruhig aus bis zum Letzten. Es kann nur schlimmer werden.«
»Warum, Caughleigh?« Diese zwei Worte erforderten mehr Kraft, als St. Paul’s zu erklimmen.
»Warum?« Dahinter lauerte ein knarrendes Lachen. »Warum, soll ich dir das sagen? Vielleicht lasse ich es dich ja herausschwitzen. Aber natürlich bist du gar nicht in der Lage, zu schwitzen, hab ich recht? Du isst nicht, trinkst nicht, pisst nicht. Du verkneifst dir alles, was die armen Sterblichen so treiben. Hab ich recht?«
Das Licht schmerzte in seinem Auge. War das ein Zeichen seiner Schwäche oder kehrte etwa ein Rest seines früheren Menschseins in ihn zurück. Das Augenlid schloss sich, als Sebastian den Kopf schüttelte.
»Hör gut zu, Marlowe. Deine Uhr ist abgelaufen. Die Dämmerung morgen früh wird dir zum Verhängnis. Morgen früh schließt sich der Kreis.«
»Warum?« Er musste es wissen. Sie hatten einander nie gemocht, aber woher kam dieser Hass?
»Hartnäckiger Teufel, du. Ich bin gnädig und will dir die Antwort nicht vorenthalten. Ich hasse dich. Du bist eine Schande für das ganze Dorf. Der Vampir von Surrey. Du musst eliminiert werden, und ich bin der Mann, der das tun wird. Schließlich habe ich meine Hausaufgaben gemacht, habe ein paar Bücher aus der Bibliothek der Damen Underwood gelesen. Den Rest hab ich mir selbst zusammengereimt. Und warum hasse ich dich? Deine Gattung ist einzig und allein dazu da, sich mit der meinen zu bekriegen. Die alte Zauberkunst verträgt sich nicht mit deiner Macht. Du hast dich zwischen mich und die alten Damen gestellt. Deiner Einmischung haben wir es zu verdanken, dass sich diese LePage noch immer hier herumtreibt. Ich habe schon viel zu viel Zeit mit ihr vergeudet. Aber mit dem morgigen Sonnenaufgang dämmert dein Ende herauf. Gegen Mitternacht wird deine Macht auf mich übergegangen sein und dann …«
»Was dann?« Christopher rang nach Worten und Gedanken. »Auf dich oder den Zirkel? Du weißt nicht, womit du es zu tun hast.«
»Und du auch nicht!«
Er hatte recht. Was passierte mit der Macht eines toten Wiedergängers? Tom würde es vielleicht wissen, er hatte die alten Lehren studiert. Aber nun war es zu spät, ihn zu fragen. »Du bist ein Narr, Caughleigh.«
»Und du hast verloren. Du hast mich herausgefordert und den Kürzeren gezogen. Wenn du hinüber bist, habe ich deine Macht und das Wissen der alten Damen. Ich werde Herr dieses Zirkels sein und jedes anderen im Umkreis von Meilen.
Christopher hörte Knorpel knacken, als seine Nase auf dem Boden aufschlug. Er nahm Sebastians Drohung vollkommen ernst. Der Mann war durch und durch machtbesessen. Caughleigh dürfte niemals erfahren, welche Gefühle er für Dixie hegte. Der Herr alleine wusste, wie er sich an ihr rächen würde. Dixie! Er erinnerte sich daran, wie warm sich ihre Haut an seinen Lippen anfühlte, roch ihre Süße, sehnte sich nach ihrer Umarmung. Vor Sehnsucht zermarterte er sich schier das Gehirn. Er musste sie schützen vor der Verderbtheit und der Rache des Sebastian Caughleigh.
»Mach was aus deiner verzweifelten Lage! Lang geht’s nicht mehr.«
Christopher hörte die Tür zuknallen. Dunkelheit umgab ihn, aber er war wenig erleichtert. Nicht einmal schlafen konnte er. Caughleigh hatte jedes Schlupfloch verriegelt.
Fast.
Christopher lächelte in seinem Schmerz. Vielleicht war ja sein Ende nahe, aber er hatte noch genügend Macht, um Dixie zu retten und sicherzustellen, dass Caughleigh seine dreckigen Pfoten von ihr ließ. Jeden letzten Rest von Kraft aufbietend, konzentrierte sich Christopher auf sie. Es herrschte Dunkelheit und Chaos, aber plötzlich, wie eine helle Schneise im Nebel, spürte er die Verbindung. Sie waren gedanklich miteinander verbunden. »Geh nach Hause«, befahl
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