Unsterbliche Küsse
Dinge passiert. Die Einbrüche, die ich Sergeant Grace gemeldet habe.« Sie sah in seine stahlblauen Augen. »Nach meinem Einzug war Schluss damit. Vielleicht weil ich mir neue Schlösser zugelegt habe. Dann kam die Sache mit Dial Cottage. Und Vernon.«
»Ja, dieser hinterhältige Anschlag auf Dial Cottage. Sie haben Mr Marlowe wohl recht gut gekannt?«
Daran war sie selber schuld. Mit ihrer großen Klappe. »Wir haben uns kennengelernt und sind Freunde geworden, nicht mehr und nicht weniger.«
Jones erwiderte nichts, wartete nur ab. War das nicht eine spezielle Verhörmethode? Nichts zu sagen und abzuwarten, bis der Verdächtige auspackte. Darauf konnte er lange warten.
»Kanadierin oder Amerikanerin, Miss LePage?«
»Wie bitte?«
»Ihre Nationalität?«
»Ich bin Amerikanerin.«
»Dürfte ich Ihren Pass sehen?«
Sie hätte gern Nein gesagt, besann sich aber eines Besseren. Er blätterte ihn durch. »Sie sind also Anfang Mai via Gatwick eingereist, mit einer dreimonatigen Aufenthaltserlaubnis, die bereits zur Hälfte abgelaufen ist. Haben Sie vor, zu verlängern? Oder wollen Sie gar eine Arbeit annehmen?«
Worauf wollte er hinaus? »Ich bin noch nicht sicher, was ich tun werde. Als ich hier ankam, hatte ich gar nicht die Absicht, so lange zu bleiben.«
»Warum sind Sie dann doch geblieben?«
»Weil ich mich hier wohlfühle, und weil ich ein paar nette Menschen kennengelernt habe. Für mich ist es ein verlängerter Urlaub.«
»Trotz der, sagen wir … Merkwürdigkeiten?«
»Genau.« Basta, hätte sie am liebsten gesagt und ihm ihren Pass aus den Händen gerissen, aber er blätterte weiter darin herum, als wäre er einem Geheimnis auf der Spur, einem Hinweis darauf, warum sie gerade erst einem Anschlag auf Leib und Leben entkommen war.
»Charleston, South Carolina«, sagte er. »Was führt Sie eigentlich hierher? Bringham gehört nicht gerade zu den touristischen Zentren dieser Welt.«
»Ich habe geerbt. Dieses Haus hier und das Vermögen meiner Großtanten. Jeder im Dorf wird Ihnen das bestätigen.«
»Worauf Sie einfach alles liegen und stehen lassen und auf unbegrenzte Zeit hierherkommen. Alle Achtung, Sie müssen einen verständnisvollen Chef haben.«
»Ich habe meinen Job gekündigt.«
»Einfach so?«
»Was hat das damit zu tun, dass mein Auto in die Luft gesprengt wurde und der arme Stanley gleich mit?«
»Das versuche ich aufzuklären, Miss LePage. Und dazu brauche ich Informationen. Auch von Ihnen.«
»Was genau wollen Sie wissen?«
»Warum Sie einen vermutlich festen Job hinschmeißen, Hals über Kopf hierherkommen, sich hier häuslich niederlassen – mit befristeter Aufenthaltserlaubnis wohlgemerkt –, und aus welchem Grund Ihnen jemand nach dem Leben trachtet.«
»Was Letzteres betrifft, kann ich mich nur wiederholen. Ich weiß es nicht und hoffe, dass Sie das herausfinden. Und betreffs meiner Kündigung sage ich Ihnen Folgendes: Meine Großmutter, bei der ich aufgewachsen bin, ist überraschend gestorben. Im selben Zeitraum ging meine Verlobung in die Brüche. Ich stand vor einem Scherbenhaufen. Da kam dieses Erbe, dieses Haus wie ein Geschenk des Himmels, eine willkommene Möglichkeit zur Flucht.«
Jones nickte. »Sie kamen also gebrochenen Herzens hierher und fielen direkt in die Arme von Mr Marlowe.«
Dixie fragte sich, welche Haftstrafe man wohl für das Ohrfeigen eines Polizisten aufgebrummt bekäme. »Nicht ganz, Inspektor. Aber hören Sie, Christopher und ich sind erwachsene Menschen. Was wir tun, geht Sie nichts an.«
»Solange Sie damit nicht gegen das Gesetz verstoßen.« Er sah sie direkt an. »Mir ist aufgefallen, dass Sie noch immer im Präsens von Mr Marlowe sprechen. Sie wissen nicht zufällig, wo er sich gerade aufhält?«
Hierauf konnte sie wahrheitsgemäß antworten. »Weiß ich nicht, nein.«
»Und die letzte Begegnung fand wann statt?«
»Letzten Samstag beim Whist-Turnier.« Die Lüge fiel ihr leicht.
»Damals hat ihn scheinbar das halbe Dorf gesehen. Aber kein Mensch mehr danach. Muss ja ein wildes Fest gewesen sein.«
»Haben Sie denn eine Ahnung, wo er sein könnte?«
»Nicht im Geringsten, Miss LePage.« Er schob ihren Pass über den Tisch. »Halten Sie ihn griffbereit, Miss LePage. Übrigens, gemeinhin halten wir nach einem Verbrechen wie diesem den Tatort achtundvierzig bis zweiundsiebzig Stunden lang unter Beobachtung. Nur damit Sie Bescheid wissen und sich von parkenden Polizeiautos nicht beunruhigen lassen.«
»Das heißt, ich stehe unter
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