Unsterbliches Verlangen
Dave nichts vor. John würde sogar die eigene Mutter vor den Polypen denunzieren, nur um sein Strafmaß zu mildern.
Dieser Bursche war aber doch noch ein Kind. Vielleicht sollten sie ihm nur einen gehörigen Schrecken einjagen, damit er sich gar nicht mehr traut, auch nur den Mund aufzumachen. Das wäre die Rettung für sie. Vielleicht. Dave spuckte aus dem Fenster. Wenn sie weiter so viel Pech hatten wie in letzter Zeit, konnten sie einpacken.
»War was?« John öffnete die Fahrertür und reichte ihm ein Sandwich und eine Flasche Bier, zuckte aber sofort wieder zusammen. Diese Schulterzerrung würde er dem Kleinen nie verzeihen.
»Wir sollten lieber vorsichtig sein, oder? Hätte uns gerade noch gefehlt, mit zu viel Promille am Steuer erwischt zu werden.«
»Ein Bier?« Was für ein mieser Typ, dieser Dave. »Verträgst du das etwa nicht?«
Der konnte ganz still sein! »Der Kleine ist nach hinten verschwunden. Wir haben ihn verpasst, weil du ja unbedingt pinkeln musstest.«
»Wir kriegen ihn.«
Und was dann? So weit voraus dachte Dave natürlich nicht. Sie mussten was unternehmen, aber er wagte nicht, daran zu denken, was John mit dem Jungen vorhatte, nachdem sie ihn geschnappt hatten. Danach jedenfalls würde er, Dave, sich einfach aus dem Staub machen. John war ihm nicht ganz geheuer. Schon bei diesem Raub war er in Panik geraten, hatte das Auto geklaut, die Beute verloren und danach diese lächerliche Geschichte von der wild gewordenen Furie erfunden, die angeblich das Auto gestoppt und ihn attackiert haben soll. Absurd! Fast so unglaublich wie die Geschichte von der Frau, die ihm auf dem Parkplatz des Manor Hotels das Messer abgenommen haben soll. Am besten, man dachte überhaupt nicht mehr dran. Er stand unter Stress und hat sich alles nur eingebildet. Genauso wie diese verdammte Großkatze! Allmählich wurde es unheimlich hier.
»Wohin ist er denn gegangen?«
»Wer? Der Junge?«, fragte Dave, aus seiner Nachdenklichkeit herausgerissen.
»Nein, der Weihnachtsmann, du Idiot!« – »Nenn mich nicht Idiot! Du Trottel! Wir würden jetzt nicht so in der Patsche sitzen, wenn du diesen Wachmann nicht abgeknallt hättest.«
»Und wenn du an der vereinbarten Stelle auf mich gewartet hättest!«
Daves Miene verfinsterte sich. Letztlich hatten sie keine andere Wahl. Sie mussten sich den einzigen Zeugen vom Leib schaffen. Zudem hatte er noch immer keine Erklärung dafür, wie die Juwelen in den Pfarrhausgarten gelangt waren. Es muss der Junge gewesen sein, der ja nach dem Unfall davongerannt war. Wenn er John nicht kennen würde, würde er sich fragen, ob er nicht alles erfunden hatte.
»Wir kriegen ihn«, sagte John durch einen Bissen von seinem Käse-Gurken-Sandwich hindurch. »Wir haben Zeit.«
»Willst du hier bleiben?«
»Wir fahren näher ran. Der Kleine ist doch hinter dem Haus, nicht wahr? An einem so schönen Tag spielt er wahrscheinlich im Garten. Es gibt doch diesen Lehmweg neben der Mauer und ein oder zwei praktische Seiteneingänge. Genau da stellen wir das Auto ab, und dann heißt es: Holzauge, sei wachsam.« Dave startete den Motor. »Sobald er allein ist, schnappen wir ihn uns.«
»Sie sind einfach wunderschön!« Judy lächelte bei so viel Lob aus Antonias Mund. »Sogar noch schöner als die anderen Stücke, die Sie mir schon gezeigt haben. Ich finde, Sie sollten auch kleinere machen. Die verkaufen sich leichter, weil sie billiger sind, und dann kommt vielleicht der eine oder andere Kunde zurück und kauft eines von den größeren.«
»Toll! Ich mach mich nach dem Wochenende sofort an die Arbeit.«
»Sie haben wohl einiges vor übers Wochenende?«, fragte Stella und blickte vom Faxgerät hoch, das eine Seite nach der anderen ausspuckte.
»Schon. Ich muss meine Eltern mit einer Seelenmassage ruhig stellen.« Sie zögerte, aber verflixt noch mal, sie – und garantiert auch längst das ganze Dorf – wussten doch längst, dass sie und James über Nacht weg gewesen waren, warum also um den heißen Brei herumreden? »Sie waren leicht verstimmt, weil ich gestern Hals über Kopf weggefahren bin, aber das war gar nichts im Vergleich zu ihrer Reaktion darauf, als sie hörten, mit wem ich weg war. James ist von der christlichen Nächstenliebe meines Vaters anscheinend ausgeschlossen.« Sie sah in die Runde bedeutungsvoll schweigender Gesichter. Was wussten sie, das sie nicht wusste? Was war das, worüber ihre Eltern sich nur andeutungsweise geäußert hatten? »Gibt es was, das ich wissen
Weitere Kostenlose Bücher