Unsterbliches Verlangen
Tasche. »Ich wohne im Bringham Manor Hotel. Hier ist meine Handynummer.«
Die alten Augen richteten sich auf das kleine Kärtchen. »Orchard House Center«, las sie laut vor. »Kunst und Handwerk aus der Region. Sonderanfertigungen möglich.« Sie legte die Karte auf den Tresen. »Das steckt also hinter dem ganzen Aufwand.«
»Ja. Wir eröffnen Anfang Herbst, wenn nicht früher.«
»Bringen Sie nicht allzu viel Unruhe in das alte Gemäuer. Es gibt Geheimnisse, an die man nicht rühren sollte.«
Nach dem dritten Papierstau gestand sich Antonia ein, dass sie mit ihren Gedanken nicht bei der Sache war. Der Kompass ihrer Wahrnehmung war ganz auf sterblichen Sex gerichtet – oder, um genau zu sein, auf Sex mit einem bestimmten Sterblichen. Jahrhundertelang hatte sie sich über das Getue der Sterblichen mit der »Nacht davor« amüsiert. Jetzt wusste sie, was es damit auf sich hatte.
Nicht dass sie es bedauert hätte. Nicht im Geringsten! Die Begegnung war unglaublich und sein Blut voll und süß gewesen – und, wie sie immer mehr glaubte, süchtig machend. Sie sehnte sich nach ihm, brauchte nur an ihn zu denken, und schon spürte sie ein Pulsieren zwischen den Beinen, und bei der Erinnerung an die Berührung seiner warmen, merkwürdig rauen Zunge auf ihrer Haut erschauderte sie.
Erschauderte? Lächerlich. Sie war Vampirin. Vampire bekamen keine Gänsehaut. Waren auf keinen Normalsterblichen angewiesen. Sie hatte keinen Grund, sich nach der Umarmung durch zwei warme sterbliche Arme zu sehnen. Hatte es nicht nötig, Zeit zu verschwenden mit der Erinnerung an den Geschmack seines süßen Blutes auf ihrer Zunge oder der Erinnerung an das Gefühl seines Wahnsinnsteils tief in ihr.
Dieses Kreisen nur um das Eine war das Letzte.
Sie brauchte eine Pause. Szenenwechsel. Elizabeth hatte recht gehabt. Bei dem Lärm draußen konnte man nicht arbeiten. Sie würde sich lieber ein paar Stunden freinehmen und nach Leatherhead fahren, um einen hübschen kleinen Artikel in der Lokalpresse zu lancieren.
Mit diesem Plan im Kopf steuerte sie den Van die Einfahrt entlang und wäre beinahe mit einem roten BMW zusammengestoßen, der eben durch das Tor fuhr.
7
Antonia riss das Steuer scharf nach links und kam mit quietschenden Bremsen zum Stehen. Sterbliche! Dieser hielt sich offenbar für unverwundbar. Oder vielleicht auch nicht, dem bleichen Gesicht nach zu urteilen, das aus der offenen Tür auftauchte. Ein bisschen wackelig auf den Beinen war er auch. Beinahezusammenstöße bekamen ihm offenbar nicht.
Aber er kam trotzdem auf sie zu und tat sogar besorgt. »Tut mir wirklich leid. Dass Sie aber auch just in dem Moment hier rauskommen müssen.«
»Es ist mein Haus!«
Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet, seinem Kinn nach zu urteilen, das ihm prompt herunterfiel. »Sie haben es gekauft?«
Als ob ihn das etwas anginge. »Richtig. Aber da wusste ich noch nichts von den Gefahren, die mir hier drohen!«
Immerhin tat er so, als wäre es ihm peinlich. »Tut mir leid. Es ist doch nichts passiert, oder?«
»Nein.« Wäre sie eine Sterbliche gewesen, sähe es vielleicht anders aus, aber in ihrem Fall … »Alles in Ordnung.« Aber was wollte er überhaupt in ihrer Einfahrt? »Sie wollten mich sprechen?«
Er schüttelte den Kopf. »Eigentlich wollte ich Jeff Wallow sprechen. Der soll heute hier zu tun haben.« Er unterbrach. »Ich bin James Chadwick.«
»Ich bin Antonia Stonewright.« Sie gab ihm die Hand, was sie aber angesichts seines laschen Händedrucks sofort bedauerte.
»Kann ich kurz reinkommen, um ein paar Takte mit Jeff zu sprechen?«
Dass dieser Jeff ein Fantasieprodukt war, wusste sie auch ohne vampirische Kräfte. Sie lächelte gespielt freundlich. »Sparen Sie sich die Mühe. Er ist, nachdem er was ausgemessen hat, wieder gegangen und wollte morgen früh wiederkommen. Wenn Sie um acht Uhr vorbeischauen, müssten Sie ihn erwischen.« James Gesichtsausdruck amüsierte sie. Ging doch nichts darüber, jemanden mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.
»Oh!« Seine Stirn runzelte sich über seinen blassen Augen, während er sich eine passende Antwort ausdachte. »Nun dann, also morgen. Früh, sagten Sie?«
Er gab schnell auf. Antonia lächelte süß – ein Gesichtsausdruck, den sie im Lauf der Jahre perfektioniert hatte und der garantiert ätzte. »Soll ich Sie hinauswinken? Damit Sie sich keinen Kratzer ins Auto fahren?«
Wohl oder übel musste er ihr Angebot annehmen, stieg wieder ein und ließ sich von ihr aus
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