Unter allen Beeten ist Ruh
Unterschrift gefälscht, Heinz?«
Wie kann sie nur so ruhig bleiben? dachte Pippa. Bitte, Heinz, sag jetzt nicht, dass Herr X Idas Unterschrift … bitte nicht!
Aber ihre Sorge war unbegründet, denn Marthaler sagte: »Gefälscht? Jetzt übertreib nicht, Ida. Immerhin sind wir verheiratet. Du unterschreibst unsere Urlaubskarten doch auch für mich mit.«
Ida Marthaler sah mit unbewegtem Gesicht auf ihren Gatten hinunter. Dann wandte sie sich ab und riss die Tür des Kleiderschranks auf. Sie schnappte sich eine Reisetasche vom Schrank und stopfte Heinz’ Kleidung hinein.
»Was … was machst du da?«, nuschelte der, aber sie brachte ihn zum Schweigen, indem sie einen Stapel Unterhosen auf sein Gesicht warf.
»Die erste Fähre geht um neun. Die wirst du nehmen.« Sie holte tief Luft. »Ich will dich nicht mehr sehen. Du gehst in unsere Wohnung, und ich werde hierbleiben, bis ich eine Entscheidung getroffen habe.« Sie sah Schmidt an. »Ist das für Sie in Ordnung?«
Schmidt nickte. »Solange er in der Stadt und zu unserer Verfügung bleibt.«
»Du hast gehört, wie du dich zu verhalten hast, Heinz. Halte dich daran.«
Marthaler setzte sich auf. »Aber Ida … du kannst doch nicht einfach … Versteh mich doch! Angelika hat mir auch zugeredet. Sie sagt, du hast einfach zu wenig Verständnis für mich.« Heinz Marthaler bekam einen verklärten Gesichtsausdruck. »Die Angelika, das ist mal eine Frau! Loyal und treu. Die weiß, was sich in einer Beziehung gehört. Frauen sollten immer für ihre Männer da sein, sagt sie … in guten wie in schlechten Tagen.«
Jetzt knallt sie ihm eine, dachte Pippa, aber wieder reagierte Ida anders als erwartet.
Ihr Blick war beinahe mitleidig, als sie sagte: »Das setzt gegenseitiges Vertrauen voraus, Heinz. Das hast du mit meiner … dieser Unterschrift zerstört.«
Ihr Gesicht wurde hart.
»Und jetzt raus hier.«
Ida Marthaler knallte die Schlafzimmertür hinter sich zu, setzte sich zu Pippa und Schmidt an den Esstisch und gab dem Kommissar den Vertrag zurück.
»Szenen einer Ehe, hm?«, sagte sie mit einem verlegenen, etwas schiefen Lächeln, dem man die mühsam gewahrte Selbstbeherrschung ansah.
»Hätte Ingmar Bergman nicht besser drehen können«, entgegnete Pippa. »Ich bewundere dich, Ida. Du hast Stärke bewiesen.«
Ida zuckte kraftlos mit den Schultern, starrte auf die Tischplatte und zeichnete mit dem Zeigefinger das Karomuster der Plastiktischdecke nach. Immer wieder fuhr der Finger an den bunten Linien entlang, hinauf und hinunter, von links nach rechts, von rechts zurück nach links.
Als sie schließlich den Kopf hob, waren ihre Augen tränenfeucht. Sie schluckte und sagte: »Danke, Pippa.«
Mit unerwartet fester Stimme fuhr sie fort: »Und jetzt wäre ich gern allein. Sobald Heinz weg ist, werde ich mein Haus von oben bis unten putzen. Ich muss den Gestank eines Dämons vertreiben.«
Pippa und Schmidt gingen langsam zurück zu Erdmanns Haus.
»Glauben Sie ihr?«, fragte Pippa.
»Vor allen Dingen glaube ich ihm, diesem armen Trottel«, sagte Schmidt. »Ob er wirklich gedacht hat, dass er damit durchkommt? Ich würde mich mit einer Frau wie Ida Marthaler nicht anlegen.«
»Jetzt bleibt Ihnen nur noch eine Chance.« Pippa lächelte triumphierend. »Ich bin ehrlich gespannt, Herr Kommissar. Wer ist der Mörder?«
»Der Mörder ist immer der Gärtner«, schoss Schmidt zurück.
Pippa lachte. »Stimmt. Auf Schreberwerder ist dieser Spruch Programm.« Dann wurde sie wieder ernst. »Und Gärtner kennen sich mit Kaliumchlorid aus. Aber nur einer hatte einen Grund, auch Felix zu töten.«
Sie hatten Erdmanns Parzelle erreicht und standen vor dem Haus.
»Sie glauben wirklich, Ihr Mörder hat beide Brüder auf dem Gewissen? Unsere Leute sind da vorsichtiger. Erinnern Sie sich. Das Ergebnis der Untersuchungen lautet: Mord an Felix Maier nicht nachweisbar.«
»Ich bin mir absolut sicher.«
»Irgendwelche Beweise?«
»Nicht nur einen. Kommen Sie.«
Pippa zog Schmidt ins Haus und weiter in Lutz Erdmanns Arbeitszimmer. Dort holte sie den Ordner mit der Aufschrift Parzellenkäufe aus dem Regal und öffnete ihn.
»Beweis Nummer eins.«
Schmidt sah verdutzt zwischen dem Vertrag in seiner Hand und dem Ordner hin und her. »Und? Der Ordner ist leer.«
»Eben. Und genau das sollte er nicht sein.«
»Sollte er nicht?«
»Denken Sie nach, Herr Kommissar.«
Er starrte noch ein paar Sekunden verständnislos auf den leeren Ordner, dann ging ihm ein Licht auf.
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