Unter allen Beeten ist Ruh
»Parzelle 6. Angelika Christ.«
»Der Kandidat hat hundert Punkte.«
»Der Vertrag kann irgendwo anders abgeheftet sein.«
»Ich dachte, Ihre Leute hätten hier jeden Millimeter durchsucht und jedes Blatt Papier mindestens zweimal umgedreht. Und? Wurde der Kaufvertrag über Parzelle 6 gefunden?«
»Das nicht«, sagte Schmidt zögernd, »aber vielleicht ist er bei Erdmanns Anwalt deponiert.«
»Nie im Leben.« Pippa schüttelte den Kopf. »Parzelle 6 war die erste, die er verkauft hat. Der Vertrag wurde mit großem Tamtam vor aller Augen auf der Party unterzeichnet, demonstrativ. Den Vertrag hatte Lutz immer griffbereit, und er müsste hier abgeheftet sein. Es sei denn …«
Sie sah Schmidt erwartungsvoll an, und wie erhofft vervollständigte er ihren Satz.
»… dass irgendetwas Angelika Christ veranlasst hätte, ihm die Parzelle nicht mehr verkaufen zu wollen und sie sich den Vertrag zurückholte.«
»Wie zum Beispiel die nächtlichen Aktivitäten ihres Verlobten mit einer gewissen Architektin. Beweisführung abgeschlossen.«
»Nicht schlecht. Und Beweis Nummer zwei?«
»Angelika hat jahrelang als Krankenschwester gearbeitet. Zwar nur als Betriebskrankenschwester, aber gewisse Dinge verlernt man nicht, zum Beispiel …«
»… wie und wo man eine Hutnadel ansetzen muss, um jemanden lebensgefährlich zu verletzen.«
»Genau. Oder wie man jemandem unauffällig eine tödliche Dosis Kaliumchlorid verabreicht.«
»Und warum sollte sie das getan haben?«
»Als ultimativen Liebesbeweis für Lutz, so verdreht das auch klingen mag. Felix stand ihren Plänen im Weg.«
Schmidt schien nicht überzeugt. »Angelika Christ hat für den Zeitpunkt von Felix Maiers Tod ein Alibi. Sie besuchte ihren Vater im Altenheim.«
Pippa winkte ab. »Das Heim ist in Heiligensee. Sie ist aber Wasserstadt ausgestiegen, sagt Nante. Für einen Spaziergang zum Heim ist das die falsche Havelseite.«
»Aber machbar. Es gibt Pendelfähren«, gab Schmidt zu bedenken. »Das ist kein Beweis, dass sie im Krankenhaus war, aber immerhin eine wichtige Beobachtung. Bei der Befragung hat Angelika Christ jedenfalls nicht erwähnt, dass sie ins Krankenhaus gegangen ist. Sie hat nur von einem Besuch bei ihrem Vater gesprochen. Und der hat das Alibi bestätigt. Allerdings erschien er uns aufgrund seiner altersbedingten Gedächtnislücken nicht mehr der ideale Zeuge. Andere Heiminsassen oder Pflegepersonal erinnerten sich leider auch nicht an die genauen Zeiten ihrer Anwesenheit.«
»Sehen Sie? Angelika hatte Zeit und Gelegenheit, sowohl Felix als auch Lutz zu ermorden.«
»Gewagte Behauptungen, liebe Frau Bolle, reichen leider nicht. Wir brauchen Beweise.«
Pippa sah ihn herausfordernd an.
»Sie sind doch für Ihre ungewöhnlichen Maßnahmen bekannt, Kojak. Dann überlegen Sie sich jetzt eine, die Angelika Christ überführt – sonst mach’ ich das alleine.«
Kapitel 30
D ie Uhr schlug Mitternacht.
Pippas Herz begann hart zu hämmern, in ihren Handflächen bildete sich Schweiß. Sie blieb stehen und starrte auf das Ziffernblatt der antiken Uhr auf dem Kaminsims. Sie schluckte und wünschte sich die Gelassenheit der goldenen Frauenfigur, die auf dem schwarzen Marmorgehäuse saß und las.
Unruhig nahm Pippa ihre Wanderung durch Dorabellas Wohnzimmer wieder auf, verweilte schließlich am Fenster und starrte hinaus in die Nacht. Der Wind heulte um den Doppelbungalow und ließ die Fensterläden klappern.
Welcher Teufel hat mich geritten, mich wieder in Gefahr zu begeben, dachte sie nervös, das ist die gerechte Strafe für meine große Klappe.
Sie setzte sich an den Tisch und versuchte, ihre Atmung zu beruhigen. Stück für Stück ging sie den Plan noch einmal durch. Hatte sie alles bedacht? Konnte wirklich nichts schiefgehen? Noch war es Zeit, die Aktion abzubr…
Sie fuhr zusammen, als es an der Eingangstür klopfte.
Showtime.
Pippa ging zur Tür und zögerte noch einmal kurz, um sich die Hände an der Jeans trockenzureiben. Sie zwang sich ein gelassenes Lächeln ins Gesicht und öffnete.
»Angelika. Schön, dass du meiner Einladung gefolgt bist.«
Angelika Christs Gesicht war ausdruckslos. Sie ging an Pippa vorbei ins Haus. Misstrauisch sah sie sich um.
»Wir sind allein?«
»Natürlich sind wir allein. Was wir zu besprechen haben, geht niemanden außer uns etwas an.« Pippa zeigte auf das Sofa. »Setzen wir uns doch.«
Angelika ignorierte die Aufforderung und inspizierte aufmerksam den Raum. Als sie an der Tür zum Bad vorbeikam,
Weitere Kostenlose Bücher