Unter allen Beeten ist Ruh
in Angelikas Augen Interesse auf.
»Sprich weiter«, sagte sie langsam.
Na also, frohlockte Pippa innerlich, hab ich dich endlich so weit.
»Wir müssen zur Selbsthilfe greifen. Zusammen. Uns nehmen, was uns zusteht.«
»Und wie?«
Pippa lächelte. »Ganz einfach.«
Ihr Herz schlug bis zum Hals, als sie ein Papier aus der Schublade des Tisches zog und hochhielt.
»Dieses Papier, meine Liebe, ist ein Erbschein für die Parzellen 4 und 5. Und für eine gewisse, besonders große Parzelle.«
Angelika schluckte und leckte sich die trockenen Lippen. »Lutz’ Grundstücke«, flüsterte sie.
Pippa nickte selbstgefällig. »Ganz recht. Lutz’ Grundstücke. Wäre doch schade, wenn die Parzellen in die falschen Hände gerieten, findest du nicht auch?«
Angelika Christ musterte sie aus zusammengekniffenen Augen.
Du liebe Güte, dachte Pippa nervös, sie weiß doch nicht etwa, dass Ida bereits mit uns …
Weiter kam sie nicht, denn Angelika sprang auf, zeigte zitternd mit dem Finger auf sie und rief mit schriller Stimme: »Du hattest also doch etwas mit meinem Lutz, deshalb hast du den Erbschein! Ich wusste es! Wie du ihn immer angeglupscht hast mit deinen Kuhaugen! Als ich dich in jener Nacht von seiner Parzelle schleichen sah, dachte ich, du hättest endlich aufgegeben, deshalb …«
Sie stoppte sich selbst, als ihr bewusst wurde, wie viel sie in ihrem Zorn preiszugeben drohte. Langsam setzte sie sich wieder und atmete tief durch.
»Das ist eine Fälschung«, sagte sie schließlich.
Pippa nickte. »Selbstverständlich ist das eine Fälschung.« Sie nahm die Urkunde und betrachtete sie eingehend. »Eine sehr gute Fälschung, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.« Sie legte das Blatt wieder auf den Tisch und sah es liebevoll an. »Meine beste Arbeit bisher.«
Angelika wirkte irritiert. »Damit kommst du nie im Leben durch, das kann ich mir einfach nicht vorstellen.« Sie stand auf. »Wenn wir sonst nichts zu besprechen haben … Ich brauche meinen Schlaf, ich möchte morgen in aller Frühe meinen Vater besuchen.«
Danke für das Stichwort, dachte Pippa erleichtert, ich hatte schon befürchtet, ich hätte es verpatzt.
»Ah, dein lieber Vater. Er lebt in Heiligensee, nicht wahr?«
Angelika wähnte sich auf sicherem Terrain und entspannte sich wieder.
»In einem wunderschönen Seniorenheim. Ich werde dort am nächsten Ersten …«
»Wenn man nach Heiligensee will, geht man in Tegelort von Bord der Rieke «, unterbrach Pippa sie und fuhr beiläufig fort: »Wenn man in Wasserstadt aussteigt, hat man ein anderes Ziel.«
Angelika stand auf und lief unruhig auf und ab. »Ich wollte mir ein wenig die Beine vertreten. Es war ein sonniger Tag.«
Pippa hielt den Atem an. Angelika fragt nicht nach, welchen Tag ich meine, dachte sie entsetzt und triumphierend zugleich, ich hatte recht mit meinem Verdacht!
»Wasserstadt liegt auf der einen und Heiligensee auf der anderen Seite der Havel«, sagte sie ruhig.
Angelika blieb abrupt stehen. »Worauf willst du hinaus?«
Pippa gab sich ungerührt. »Ich will dich erpressen.«
»Mich?« Angelika lachte trocken. »Bei mir ist nichts zu holen.«
Wieder falsch reagiert, Angelika, dachte Pippa. Du hättest sagen müssen, dass es nichts gibt, womit ich dich erpressen kann. Ich wünschte, Kommissar Schmidt wäre jetzt bei mir. Er wüsste genau, was man an dieser Stelle sagen und fragen müsste, um an ein Geständnis zu kommen. So etwas lernen die doch auf der Polizeischule. Aber: Alle Mörder machen Fehler … darauf muss ich bauen.
»Du kannst mir die Hälfte deines Besitzes bieten, die Hälfte von all dem, was dieses Dokument dir sichert, wenn ich deinen Namen eintrage. Als Erbberechtigte. Du warst Lutz’ Verlobte. Niemand wird anzweifeln, dass er dir alles hinterlässt.«
Angelika kam an den Tisch und griff nach dem Erbschein. Sie studierte das Schriftstück ausgiebig und konstatierte: »Sieht echt aus.«
»Das wird dir jedes Gericht bestätigen. Der Unterschied ist selbst für Fachleute nicht zu erkennen«, sagte Pippa … was daran liegen könnte, dass es ein echter Erbschein ist, den Herr X meisterhaft manipuliert hat, dachte sie.
Angelika ging zum Fenster und sah hinaus, achtete aber sorgfältig darauf, hinter der Gardine verborgen zu bleiben.
Pippa erkannte, dass Angelikas Angst und Misstrauen noch immer starke Gegner waren und dass sie sich nicht den kleinsten Fehler erlauben durfte, wenn sie die Mörderin entlarven wollte.
Angelika drehte sich um und
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