Unter allen Beeten ist Ruh
noch nicht fertig mit dem Thema.
»Die Kleene hat nich nur ihre Paazelle vakooft, sondern ooch ihre Seele, und zwar annen Teufel pasönlich.«
»Wenn man den Teufel nennt, kommt er gerennt«, sagte Pippa und zeigte zum Dorfplatz, wo Lutz Erdmann mit großen Schritten auf und ab ging.
»Was ist das denn? Pantomime Nachdenklicher Staatsmann ?«, spottete Karin und kniff die Augen zusammen.
Alle beobachteten staunend Erdmanns Vorführung: Die Hände auf dem Rücken verschränkt, durchmaß er den Dorfplatz, drehte um, ging wieder zurück, blieb stehen, schien tief in Gedanken versunken, das Haupt gesenkt. Dann fuhr er sich mit der Hand über Stirn und Augen, um danach ernst in die Ferne zu blicken.
»Da isser, der Bastard«, ereiferte sich Luis, »der Eenzje, der von Felix’ Tod wat hat! Dit muss doch ooch die Polente kapier’n! Keener von unsereens hat wat von seinem Tod, bloß der da!«
Pippa zögerte, aber dann sprach sie aus, was sie beschäftigte.
»Er profitiert doch überhaupt nicht, er hat doch selbst gesagt, es gäbe keine Beweise dafür, dass Felix sein Bruder ist. Ohne Beweise konnte Felix seinen Vater nicht beerben, und ohne Beweise kommt Lutz nicht an die Parzelle.«
»Es sei denn, die Beweise tauchen plötzlich doch noch auf«, sagte Stephan Kästner, der gerade Viktors Garten betrat und ihre Verteidigungsrede gehört hatte. »Jetzt kämen sie Lutz ja wie gerufen …«
»Na und? Dann sagen wir halt alle aus, dass er die Papiere gefälscht hat, wie schon zuvor Dorabellas Testament. Die müssen uns einfach glauben!«, schlug Karin vor.
»Jenau«, rief Luis, »Felix, der Halbbruder von Lutz? Nie von jehört, un wir müssten det ja woll wissen.«
»Bitte, macht keine Dummheiten, Leute. Davon, dass ein Dutzend Menschen die gleiche Lüge erzählen, wird daraus noch keine Wahrheit. Falschaussagen werden schwer bestraft«, gab Matthias zu bedenken.
»Na wat? Ick lüje, so viel wie ick will. Ick bin so een lieber alter Mann, da jeraten die Erinnerungen schon mal durcheinander, wa?« Luis nickte und zitterte wie ein tatteriger alter Opa. »In meen bejnadeten Alter erinnert man sich noch an alle Zutaten, aber man kann se manchmal nich mehr zu een richtijet Rezept zusammenbauen.«
»Das Schauspiel geht weiter«, sagte Karin, und alle sahen wieder zum Dorfplatz hinüber.
Angelika Christ kam von der Befragung und ging auf Lutz zu, der ihr mit leidendem Gesichtsausdruck entgegensah. Angelika breitete die Arme aus, und Lutz schmiegte sich an sie wie ein Kleinkind an seine Mutter. Seine Schultern zuckten.
»Ich übergebe mich gleich«, murmelte Jochen Peschmann, »ich dachte, derartige Theatralik wäre seit der Einführung des Tonfilms passé. Erinnert mich stark an Jopi Heesters’ erste Gehversuche.«
»Fehlt bloß noch, datt’n Pianospieler im Jebüsch hockt und inne Tasten haut«, gackerte Luis, »Plinka, Plonka, Dudelidu – Schreberwerders erster Stummfilm.«
Alle lachten, froh darüber, sich etwas entspannen zu können.
Das Lachen verging ihnen allerdings schnell, als Lutz und Angelika eng umschlungen Viktors Parzelle ansteuerten. Sie verharrten an der Pforte zum Garten. Lutz löste sich, noch immer seine Leichenbittermiene zur Schau stellend, von Angelika und verbeugte sich vor den sprachlosen Insulanern. Seine Verlobte streichelte ihm aufmunternd den Rücken.
»Du liebe Güte, das halte ich nicht aus«, zischte Pia Peschmann und sprang auf. »Wenn Ihro Gnaden uns jetzt noch mit seiner Anwesenheit beehren, knallen bei mir die Sicherungen raus. Ich muss hier weg. Ich verschwinde im Haus und mach mich nützlich. Irgendwo gibt es bestimmt jede Menge Alkohol. Ein ordentlicher Schnaps auf nüchternen Magen wird mir guttun.«
»Himmel, wenn man es genau betrachtet, ist der Schnaps bestimmt auch illegal gebrannt. Lasst uns Beweise vernichten«, sagte Karin und folgte Pia ins Haus.
Pippa sah ihnen sehnsüchtig nach, war aber zu neugierig, um ihren Logenplatz aufzugeben.
Lutz und Angelika standen jetzt auf der Terrasse. Erdmann schien zu zögern, aber seine Verlobte drückte ihm aufmunternd die Hand, woraufhin er tief seufzte und ihr einen dankbaren Dackelblick zuwarf.
Pippa entfuhr ein Stöhnen. Die beiden waren wirklich ein Fall für die »Goldene Himbeere«, den Preis für die schlechteste Schauspielleistung des Jahres!
Lutz räusperte sich und verkündete salbungsvoll: »Meine Verlobte und ich können in unserer großen Trauer jetzt nicht allein sein. Lassen Sie uns gemeinsam meines so tragisch
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