Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter allen Beeten ist Ruh

Unter allen Beeten ist Ruh

Titel: Unter allen Beeten ist Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auerbach , Keller,
Vom Netzwerk:
forderten ihre Geschichte ein.
    Pippa blätterte zu der Stelle zurück, bei der Gerdi oder Stephan aufgehört hatte, und begann zu lesen: »Also meine Herren, ich erkläre Ihnen auf Ehrenwort: das Geld gehört wirklich mir. Ich werde doch nicht kleine Kinder ausrauben!, behauptete der Dieb.«
    »Halt!«, schrien die Kästner-Kinder, und Pippa fuhr zusammen.
    »Was ist? Warum soll ich aufhören?«, fragte sie erstaunt.
    »Du doch nicht, Tante Pippa. Das sagt Emil. In dem Buch«, sagte Emil kichernd.
    Pippa nickte. »Natürlich, du hast recht. Entschuldige. Also, dann noch mal.«
    »Halt!, schrie Emil plötzlich« , las Pippa weiter, »… und sprang in die Luft, so leicht war ihm mit einem Male geworden . Ich habe mir im Zug das Geld mit einer Stecknadel ins Jackett gesteckt. Und deshalb müssen drei Nadelstiche in den drei Scheinen zu sehen sein.«
    Auf Luis’ Grundstück schlug laut eine Tür zu, und Pippa wandte erschrocken den Kopf. Ein Polizist ging zum Polizeiboot und verschwand darin.
    Irgendeiner müsste doch nun endlich wieder herauskommen, dachte Pippa sehnsüchtig.
    »Tante Pippa …« Die kleine Luise zog an Pippas Arm. »Weiterlesen! Jetzt wird es spannend.«
    Pippa kam in die Realität als fest gebuchte Märchentante zurück und nickte. »Also, wo waren wir?«
    Sie fuhr mit dem Finger über die Seite und las weiter. »Der Junge hat recht!, schrie der Kassierer blass vor Erregung. In den Scheinen sind tatsächlich Nadelstiche!«
    »Tante Pippa«, rief Emil ungeduldig, »da waren wir doch noch gar nicht. Der Kassierer muss das Geld doch erst noch gegen das Licht halten.«
    »Und dann tritt der böse Dieb einen Schritt zurück«, sagte Luise. »Damit er hinterher schneller abhauen kann«, ergänzte Lotte.
    Anton ereiferte sich: »Mann, wenn ich bloß bald selber lesen kann. Dann kommen solche Fehler nicht mehr vor. Das verspreche ich euch.«
    »Was ist denn los mit den Erwachsenen?«, überlegte Emil laut, als wäre Pippa gar nicht da. »Tante Pippa ist heute wie Papa in den letzten Tagen. Entweder er verspricht sich dauernd oder er liest jeden Satz so oft, dass er einem aus den Ohren kommt – und merkt es nicht einmal.«
    »Genau«, sagte Anton, »Mama ist auch nicht besser, die fängt dauernd an zu heulen, wenn wir was wollen, und nimmt uns immerzu in den Arm. Voll lästig. Als wären wir kleine Babys!«
    »Dabei, so traurig ist die Geschichte doch gar nicht«, piepste Lotte, und ihre Schwester nickte ernst.
    »Und am Ende finden sie den Bösen«, sagte Anton im Brustton der Überzeugung. »Und der kriegt seine gerechte Strafe! Das ist doch immer so, nicht wahr, Tante Pippa?«
    Pippa sah in die fragenden Gesichter der Kinder. Sie suchte verzweifelt nach einer angemessenen Antwort. Angesichts der aktuellen Entwicklung und des vermutlichen Mordes an Felix Maier fiel ihr Ehrlichkeit schwer, und sie wollte die Kleinen nicht noch mehr verwirren.
    »Stimmt«, sagte sie schließlich, »das ist das Schöne an den Büchern von Erich Kästner. Aber Mama und Papa lesen euch doch immerhin noch jeden Tag vor, oder? Auch wenn sie mal ein bisschen traurig sind. Alle Leute sind mal traurig. Ihr doch bestimmt auch.«
    Luise nickte wichtig. »Manchmal habe ich einen bösen Traum. Und dann habe ich Angst oder ich bin traurig.«
    »Genau wie Mama und Papa heute Morgen. Seit Tante Angelika uns besucht hat, streiten sie sich die ganze Zeit«, berichtete Anton.
    »Das tun sie sonst nie«, rief Emil, »Papa sagt immer, sie brauchen nicht streiten, weil wir das für sie erledigen.«
    Pippa war hellhörig geworden, als Luise den Besuch von Angelika Christ erwähnt hatte. Was hatte Erdmanns frischgebackene Verlobte bei den Kästners verloren?
    »Wann war Tante Angelika denn bei euch?«
    »Bevor wir eingeschlafen sind«, erklärte Luise, »und heute vor dem Aufwachen. Und dann mussten wir ganz gleich aufstehen.«
    »Genau«, sagte Emil empört, »und dabei hatte Mama versprochen, wir dürfen ausschlafen, und sie kommt und liest uns wach.« Er grinste verschmitzt. »Verstehst du? Ganz andersrum wie sonst: keine Gutenachtgeschichte, sondern eine Gutentaggeschichte.« Sein Gesicht verdüsterte sich. »Aber dann ist es doch kein guter Tag geworden.«
    Dem konnte Pippa nur zustimmen.

Kapitel 19
    A ls Erster tauchte Matthias wieder auf.
    Er kam quer über den Dorfplatz, und Pippa sah ihm schon von weitem an, wie verwirrt er war. Die Kästner-Zwerge spielten Verstecken, und Pippa saß in einem der weißen Korbstühle auf der kleinen

Weitere Kostenlose Bücher