Unter dem Banner von Dorsai
Padma, wobei seine Augen immer noch auf mir hafteten. „Sie ist hier. Sie ist jetzt meine Privatsekretärin. Ich glaube, Sie werden bald auf sie stoßen. Sie macht sich immer noch Gedanken über Ihre Rettung.“
„Seine Rettung?“ warf Snelling wie von ungefähr, aber nicht uninteressiert ein. Es gehörte zu seinen Aufgaben, wie auch zu denen aller Vollmitglieder der Gilde, die Volontäre auf alles das hin zu beobachten, was einer Aufnahme in die Gilde widersprach.
„Vor sich selbst“, sagte Padma, während er mich aus seinen nußbraunen Augen anblickte, die so verschleiert und so goldgelb waren wie die Augen eines Gottes oder eines Dämons.
„Dann wird es vielleicht besser sein, wenn ich sie suche, damit sie mit ihrem Rettungswerk fortfahren kann“, bemerkte ich diesmal meinerseits wie beiläufig, die Gelegenheit ergreifend, mich aus dem Staub machen zu können. „Vielleicht sehen wir uns später.“
„Vielleicht“, sagte Snelling. Ich aber machte, daß ich fortkam.
Sobald ich in der Menge untergetaucht war, strebte ich einem der Zugänge zu den Treppen zu, die zu den kleinen Baikonen hinaufführten, welche ringsherum wie Theaterlogen an den Wänden klebten. Ich wollte mich keinesfalls von diesem merkwürdigen Mädchen erwischen lassen, dieser Lisa Kent, an die ich mich sowieso recht lebhaft erinnerte. Vor fünf Jahren, nach jenem denkwürdigen Ereignis in der Enzyklopädie, hatte ich immer wieder den Wunsch gehabt, in die Enklave zurückzukehren und sie aufzusuchen. Doch jedesmal wurde mein Vorhaben durch eine Art Angstgefühl vereitelt.
Ich wußte, was dieses Angstgefühl zu bedeuten hatte. Tief in mir wurzelte nämlich das irrationale Gefühl, daß jene Wahrnehmung und jene Fähigkeit, die ich mir erarbeitet hatte, um Leute zu manipulieren – wie ich meine Schwester seinerzeit in der Bibliothek mit Jamethon Black manipuliert hatte und wie ich jedem, der meinen Weg kreuzte, bis hin zu Oberleutnant Frane, meinen Willen aufgezwungen hatte –, verschwinden könnten, wenn ich versuchen würde, mit Lisa Kent ebenso zu verfahren.
Ich suchte und fand also eine Treppe, die auf einen kleinen, leeren Balkon führte, wo einige Stühle um einen runden Tisch gruppiert waren. Von hier aus konnte ich wohl den Ältesten Strahlenden ausmachen, den Vorsitzenden des Vereinigten Kirchenrats, der die beiden Quäkerwelten Harmonie und Eintracht regierte. Der Strahlende war ein Militanter – einer der führenden Kirchenmänner der Quäker, der fest an den Krieg als Lösung aller Dinge glaubte – und er hatte Neuerde einen kurzen Besuch abgestattet, um sich zu erkundigen, wie sich die Söldner der Freundlichen bei ihren Auftraggebern auf Neuerde bewährten. Eine Unterschrift von ihm auf Daves Paß wäre für meinen Schwager ein besserer Schutz gegen die Quäker-Truppen gewesen als fünf bewaffnete Kommandos der Cassidaner.
Schon nach fünf Minuten erblickte ich ihn in der Menge, die wenige Meter unter meinem Ausguck brodelte. Er stand am anderen Ende des Raumes und sprach mit einem weißhaarigen Mann – dem Aussehen nach ein Venusier oder Newtonier. Ich wußte genau, wie er aussah, wie ich die meisten wichtigen Persönlichkeiten der vierzehn bewohnten Welten vom Aussehen her kannte. Nur weil ich aufgrund meiner besonderen Begabungen die Erfolgsleiter bis zu diesem Punkt ziemlich schnell erklommen hatte, hieß noch lange nicht, daß ich für meinen Erfolg nicht hart gearbeitet hatte. Doch trotz meines Wissens versetzte mir der erste Anblick des Strahlenden einen kleinen Schock.
Zum erstenmal mußte ich feststellen, wie merkwürdig kräftig er für einen Kirchenmann war.
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