Unter dem Banner von Dorsai
Er war größer als ich, mit Schultern wie ein Scheunentor und obwohl bereits in mittleren Jahren – mit einer Taille wie ein Sprinter. Er stand da, ganz in Schwarz, indem er mir den Rücken zukehrte, die Beine leicht gespreizt, das Gewicht auf die Fußballen verlagert wie ein geschulter Kämpfer. Dennoch war etwas an ihm, etwas wie eine dunkle Kraft, die meinen Mut kühlte und dennoch den Wunsch in mir weckte, meine Kräfte mit ihm zu messen.
Eines war sicher: Er war kein Oberleutnant Frane, der nach meiner Pfeife tanzen würde.
Ich machte kehrt, um zu ihm hinunterzugehen – aber der Zufall wollte es anders, wenn es ein Zufall war. Wahrscheinlich werde ich es nie erfahren. Vielleicht war es eine Art Überempfindlichkeit, die mir Padmas Bemerkung eingeimpft hatte, dies hier sei eine bestimmte Stunde und ein bestimmter Ort im menschlichen Entwicklungsschema, ein Moment, für den er verantwortlich zeichnete. Ich selbst hatte bereits zu viele Menschen durch solch subtile, aber angemessene Suggestion beeinflußt, um noch daran zu zweifeln, daß es diesmal mir so ergangen war. Doch plötzlich erblickte ich einen kleinen Menschenauflauf direkt unter mir.
Einer aus der Gruppe war William von Ceta, Chefunternehmer dieses gewaltigen kommerziellen Planeten mit der geringen Schwerkraft unter der Sonne von Tau Ceti. Dann war da noch ein hochgewachsenes, hübsches, blondes, ziemlich junges Mädchen mit Namen Anea Marlivana, die Auserwählte von Kultis ihrer Generation, ein Juwel der Generationen exotischer Abstammung. Dort war auch Henrik Galt, unübersehbar in der Galauniform eines Marschalls, mit seiner Nichte Elvine. Und da war noch ein Mann, der kein anderer als Donal Graeme sein konnte.
Er war ein junger Mann in der Uniform eines Patrouillenführers, mit dem dunklen Haar und der fast befremdenden Tüchtigkeit und Ausgewogenheit seiner Bewegungen, charakteristisch für all diejenigen, die für den Krieg und für den Kampf geboren sind. Aber er war zu klein für einen Dorsai – er hätte mich kaum überragt, wenn ich neben ihm stünde –, schlank und fast unauffällig. Dennoch blieb mein Blick an ihm haften.
Für eine Sekunde begegneten sich unsere Blicke. Er war nahe genug, so daß ich die Farbe seiner Augen erkennen konnte – das war es, was mich zurückhielt.
Denn seine Augen waren farblos, sie hatten überhaupt keine bestimmte Farbe. Sie waren jeweils grau, grün oder blau, je nachdem, wie Licht und Schatten in ihnen spielten. Graeme wandte den Blick wieder ab, fast noch im gleichen Moment. Doch ich war vom Blick dieser fremden Augen gefangen, überrascht und verlegen zugleich. Doch dieser einzige Augenblick des Zögerns genügte.
Als ich mich endlich von diesem tranceartigen Zustand befreit hatte und wieder nach dem Strahlenden Ausschau hielt, sah ich, daß ihn jemand von dem weißhaarigen Mann ablenkte. Es war ein Adjutant, der plötzlich aufgetaucht war und dessen Figur und Haltung mir merkwürdig bekannt vorkamen, der eindringlich auf den Ältesten der Quäkerwelten einredete.
Und während ich noch dastand und zuschaute, machte der Strahlende auf dem Absatz kehrt, folgte dem Adjutanten und verließ den Raum mit raschen Schritten durch eine Tür, von der ich wußte, daß sie in die Eingangshalle und von dort zu Galts Räumen führte. Er ging, und ich war nahe daran, meine Chance zu verpassen. Ich drehte mich rasch um, um die Treppe hinunterzueilen und ihm zu folgen, bevor er meinen Blicken entschwand.
Doch mein Weg war verstellt. Der Augenblick, wo ich Donal Graeme unverwandt angestarrt hatte, hatte mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Denn als ich mich umdrehte, kam jemand die Treppe herauf und trat auf den Balkon. Es war Lisa
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