Unter dem Banner von Dorsai
Kent.
7
„Tam!“ sagte sie. „Warten Sie! Laufen Sie nicht davon!“
Das wäre auch kaum möglich gewesen, ohne sie über den Haufen zu rennen, weil sie die schmale Treppe blockierte. Ich blieb unentschlossen stehen und schaute zu der Tür hin, durch die der Strahlende und sein Adjutant bereits verschwunden waren. Und plötzlich wurde mir bewußt, daß ich bereits zu spät dran war. Die beiden waren flink auf den Beinen. Bis ich die Treppen hinuntereilen und mir einen Weg durch die Menge bahnen konnte, dürften sie bereits ihr Fahrzeug bestiegen haben und davongefahren sein. Vielleicht, wenn ich mich in jenem Augenblick gerührt hätte, als sich der Strahlende zum Gehen wandte – doch selbst wenn ich ihn noch erwischt hätte, wäre es verlorene Liebesmüh gewesen. Nicht Lisas Auftauchen, sondern mein eigenes Zögern, als ich in die merkwürdigen Augen von Donal Graeme blickte, ließ mich die Chance verpassen, die Unterschrift des Strahlenden für Daves Paß zu bekommen.
Mein Blick kehrte zu Lisa zurück. Merkwürdig, jetzt, wo wir uns wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, freute ich mich über die Begegnung, auch wenn die Furcht von vorhin immer noch in mir steckte, daß sie es irgendwie fertigbringen würde, mich kaltzustellen.
„Woher wußten Sie, daß ich hier bin?“ wollte ich wissen.
„Padma sagte mir, daß Sie versuchen, mir aus dem Weg zu gehen“, meinte sie. „Und dort unten wäre es wohl kaum möglich gewesen. Also mußten Sie woanders zu finden sein, wobei Ihnen außer diesen Logen keine Wahl übrigblieb. Ich habe Sie soeben an der Brüstung stehen und hinunterschauen sehen.“
Sie war vom schnellen Treppensteigen etwas außer Atem, und die Worte kamen hastig über ihre Lippen.
„Na schön“, sagte ich. „Sie haben mich gefunden. Was wollen Sie?“
Sie hatte sich mittlerweile etwas beruhigt, aber die Anstrengung färbte immer noch ihre Wangen. Sie sah sehr hübsch aus, das konnte ich nicht übersehen. Dennoch hatte ich immer noch Angst vor ihr.
„Tam!“ sagte sie. „Mark Torre möchte Sie sprechen!“
Meine Angst steigerte sich wie der Heulton einer Sirene, und ich erkannte im Augenblick die Gefahr, die von ihr ausging. Ihr Instinkt oder ihr Wissen schienen ihr die nötige Kraft zu verleihen. Jeder andere wäre nicht auf diese Weise mit der Tür ins Haus gefallen. Doch irgendeine instinktive Weisheit warnte sie vor der Gefahr, mir genügend Zeit zu lassen, um die Situation einzuschätzen und sie zu meinem Vorteil zu nutzen.
Ich aber konnte genauso direkt sein, wenn es sein mußte. Ich ging um sie herum, ohne etwas zu erwidern. Sie verstellte mir den Weg, so daß ich stehenbleiben mußte.
„Was ist los?“ fragte ich barsch.
„Das hat er mir nicht gesagt.“
Jetzt sah ich eine Möglichkeit, den Spieß umzukehren, und brach in lautes Gelächter aus. Sie starrte mich einen Augenblick an, dann errötete sie wieder, diesmal aber vor Zorn.
„Tut mir leid.“ Ich hörte auf zu lachen, und insgeheim tat es mir wirklich leid. Obwohl ich gezwungen war, gegen sie anzukämpfen und sie abzuwehren, konnte ich sie viel zu gut leiden, um sie auf diese gemeine Art auszulachen. „Doch über was sonst könnten wir reden als über die alte Geschichte, daß ich mich zur Enzyklopädie bekennen soll? Wissen Sie noch? Ich war stets …“ – das Wort lag mir auf der Zunge und entschlüpfte mir auch sofort – „… auf Z ERSTÖRUNG ausgerichtet.“
„Wir wollen nichts weiter als unsere Chancen wahrnehmen,“ versetzte sie hartnäckig. „Außerdem ist es nicht Padma, der bei der Enzyklopädie das Sagen hat. Es ist Mark Torre, und er wird langsam alt. Er weiß besser als jeder andere, wie gefährlich es ist, die Zügel aus der Hand zu legen, wenn keiner da ist,
Weitere Kostenlose Bücher