Unter dem Banner von Dorsai
abgestreift. Ich liebte ihn nicht dafür, aber Mathias hatte mich ganz genau so gesehen wie ich war. Und sein Vermächtnis beeinflußte mich noch aus seinem Grabe: Ich verschaffte seinem Antiglauben Geltung, aber mit einer Kraft und einem Nachdruck, den er nie für möglich gehalten hätte.
Doch jetzt, als ich Piers Leafs Büro erreichte, drängte ich diese Gedanken beiseite. Er stand in der Tür und erwartete mich, denn von weiter unten hatten sie ihm bestimmt mitgeteilt, daß ich auf dem Weg hierher war. Er drückte mir fest die Hand und hielt sie fest, um mich ins Innere seines Büros zu ziehen und schloß hinter uns die Tür. Wir setzten uns nicht an seinen Schreibtisch, sondern jeweils auf die Seite eines überaus weichen Sofas und einen ganz mit tiefen Polstern überzogenen Sessel. Und mit Händen, die durch eine plötzliche Alterung schmal und faltig geworden waren, schenkte er uns zwei Drinks ein.
„Haben Sie gehört, Tam?“ begann er ohne Einleitung. „Morgan Chu Thompson ist tot.“
„Ich weiß“, sagte ich. „Und damit ist nun ein Sitz im Rat frei.“
„Ja.“ Er trank einen kleinen Schluck aus seinem Glas und setzte es dann wieder ab. Müde strich er sich mit der Hand übers Gesicht. „Morgan war ein alter Freund von mir.“
„Ich verstehe“, sagte ich, obwohl ich überhaupt nichts für ihn empfand. „Es muß Sie schwer getroffen haben.“
„Er war genauso alt wie ich …“ Er brach ab und lächelte mir ein wenig blaß zu. „Ich vermute, Sie rechnen damit, daß ich Sie dabei unterstütze, den freigewordenen Sitz zu erlangen?“
„Ich glaube“, antwortete ich, „die anderen Gildemitglieder könnten es für ein wenig seltsam halten, wenn es nicht so wäre – wenn man bedenkt, wie die Dinge seit einiger Zeit bei mir gelaufen sind.“
Er nickte. Doch gleichzeitig schien er mich kaum zu verstehen. Er nahm sein Glas auf und nippte erneut daran, gleichgültig; dann setzte er es wieder ab.
„Vor fast drei Jahren“, sagte er, „kamen Sie mit einer Prophezeiung zu mir. Erinnern Sie sich daran?“
Ich lächelte.
„Ich nehme an, Sie werden es kaum vergessen haben“, meinte er. „Nun, Tam …“ Er hielt inne und seufzte tief. Er schien Schwierigkeiten zu haben, sich auf das zu konzentrieren, was er sagen wollte. Aber ich war inzwischen ein alter und erfahrener Veteran, wenn es darum ging, mich in Geduld zu üben. Ich wartete. „Wir hatten Zeit genug, um zu sehen, wie sich die Dinge entwickelten. Und mir scheint, Sie hatten recht – und doch unrecht.“
„Unrecht?“ wiederholte ich.
„Nun, ja“, sagte er. „Es war Ihre Theorie, die Exoten hätten die Absicht, die Kultur der Quäker auf Harmonie und Eintracht zu zerstören. Doch sehen Sie nur, welchen Verlauf die Dinge seit damals genommen haben.“
„Ja?“ sagte ich. „Welchen denn – zum Beispiel?“
„Nun“, meinte er, „seit rund einer Generation ist es für jedermann ersichtlich, daß die Quäker mit ihrem Fanatismus – Ausbrüche sinnloser Gewalt wie das Massaker, das Ihrem Schwager vor drei Jahren auf Neuerde das Leben kostete – die öffentliche Meinung der zwölf anderen Welten zu ihren Ungunsten beeinflussen.
Bis hin zu dem Punkt, an dem sie keine Chance mehr haben, ihre jungen Männer als Söldner nach Außenwelt zu vermieten. Und jeder, der nicht auf beiden Augen blind ist, konnte erkennen, daß die Quäker selbst dafür verantwortlich sind, ganz allein durch ihre Lebensart. Den Exoten kann man nicht die Schuld dafür geben.“
„Ja“, sagte ich. „Das stimmt vermutlich.“
„Selbstverständlich.“ Er nippte erneut an seinem Drink, etwas lebendiger diesmal. „Ich glaube, ich war aus diesem Grund so skeptisch, als Sie mir sagten, die Exoten seien darauf aus, den Quäkern den Garaus zu machen. Es paßte irgendwie nicht richtig.
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