Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
erinnert sich Mum. »Ihre armen kleinen vergifteten Körper auf Haufen geworfen, aufgebläht in der Sonne. Schwanz an Schnauze gelegt hätten sie einmal um das Schulgelände gereicht. Und am nächsten Tag wurde uns von dem entsetzlichen Gestank nach verbranntem Fell und Fleisch fast schlecht, als die Gärtner sie mit Benzin überschütteten und anzündeten. Es war grauenhaft. Einfach hundsgemein.«
Mum ist der festen Überzeugung, dass die Nonnen blutleer und herzlos geworden sind, weil man ihnen weder Alkohol noch Glücksspiel noch sonst irgendwelche Vergnügungen gestattete, während die Priester sich wenigstens betrinken und auf der Rennbahn auf Pferde wetten durften. »Von den Nonnen verlangte man, über allen irdischen Wünschen und Versuchungen zu stehen. Sie durften sich nicht einmal beim Essen zuschauen lassen. Sie hatten ein verborgenes Esszimmer im hinteren Teil der Schule, wo sie ihre Mahlzeiten bei geschlossenen Türen einnahmen. Niemand durfte ihnen bei irgendeiner biologischen Verrichtung zusehen. Wir Schulkinder haben darüber gestritten, ob die Nonnen überhaupt etwas aßen oder nicht, und wenn ja, was wohl am anderen Ende mit dem Essen passierte. Ich bin davon überzeugt, dass sie ihren ganzen Ärger, ihre Enttäuschung und unterdrückten Triebe an uns ausgelassen haben.«
Nach vier Jahren auf dieser Schule war Mum zu der Überzeugung gekommen, dass Nonnen und Klöster Teil der Hölle waren, und so war sie gar nicht überrascht, als in den blauen Kautschukbäumen hinter der Schule ein Inferno ausbrach, das dem Hades Ehre gemacht hätte, aber das Entsetzliche daran war, dass sie Suk wie jeden Tag an einem der Bäume festgebunden hatte. Gegen Ende der langen Trockenzeit wehte der Wind schon seit Tagen roten Staub aus Uganda herüber, der sich wie pulverisiertes Blut über alles legte. Die Sonne brannte aus einem hohen, klaren Himmel herunter, und gegen Mittag fing der leicht entzündbare Eukalyptussaft Feuer. Von ihrem Pult im Klassenzimmer sah Mum aus den Augenwinkeln die Flammen hochschießen, und ehe ihr Hirn begriffen hatte, was ihr Körper längst wusste, rannte sie, so schnell sie konnte, zu ihrem Esel. Sie wollte sich schon in die Flammen stürzen, als Schwester Philips kräftige Männerhände sie von hinten packten.
»Ich spürte jede Explosion in der Magengrube, jedes Mal, wenn ein Baum mit einem Riesenknall Feuer fing«, sagt Mum. Einer nach dem anderen ging hoch, jeder lodernde Ast und Stamm brachte das Feuer näher zu Suk. Der kleine Esel zerrte und riss an seinem Halfter, aber das Seil hielt stand. Mum musste tatenlos mit ansehen, wie der Baum, unter dem Suk sich quälte, von einer Feuerwalze verschlungen wurde. Der Esel war nicht mehr zu sehen, seine Schreie gingen unter im Getose der öligen Flammen. Wie jeder Mensch, der eine Tragödie erlebt, wollte Mum nicht wahrhaben, was passiert war. Sie weigerte sich zu glauben, dass sich die Zeit nicht zurückstellen, das Feuer nicht ungeschehen machen ließ. »Nein! Nein! Nein!«
Dann kam der Esel aus dem Flammenmeer gestolpert, versengt und wiehernd vor Schmerz; Fleisch und Fell hingen ihm in verkohlten Fetzen vom Rücken. Sein Halfterstrick war durchgebrannt und baumelte ihm unterm Kinn. Mum wollte sich aus Schwester Philips Griff winden, aber die Klammern ihrer Hände packten nur noch fester zu.
»Lassen Sie mich los!«, schrie Mum, wand sich im Schraubstock von Schwester Philips Griff und trat mit den Füßen aus, doch es nützte nichts. Sie drehte den Kopf und schaute hoch, und was sie sah, ließ ihr das Blut gefrieren und brannte sich ihr ins Gedächtnis. »Schwester Philip starrte Suk mit hasserfülltem Blick aus kalten blauen Augen an. Ich wusste, dass sie ihm den bösen Blick gegeben hatte. Sie hatte den Brand gelegt.« Mum nickte. »Ich hatte es immer gewusst. Diese verfluchte Nonne war eine Hexe.«
Meine Großmutter pflegte den Esel mit flüssigem Paraffin und antibiotischem Puder von May & Baker wieder gesund, aber Suk war nicht so dumm, sich auch nur ein einziges Mal in die Nähe der Schule locken zu lassen. Außerdem blieben große Partien seiner Haut vollkommen kahl, »und auf einem kahlen Esel kann man nicht reiten«. Ein paar Monate lang war Mum gezwungen, jeden Morgen allein zur Schule zu gehen, und wenn sie wieder unter die verkohlten Eukalyptusbäume geschickt wurde, konnte sie sich nicht mehr auf dem Rücken ihres Esels lümmeln und in den Himmel gucken. Mit untröstlicher Verwunderung musste sie erfahren, dass Suks
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