Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
House
Isle of Skye
Meldung aus Indien; Lieutenant R. L. Huntingford, Queens Own Cameron Highlanders, stationiert in Black Watch beim Nigerianischen Regiment, am 7. März 1945 in Burma verwundet. Das Army Council drückt sein Mitgefühl aus. Schreiben folgt in Kürze.
Kriegsministerium.
Unter dem Telegramm eine handschriftliche Anmerkung meines Großvaters: »Korrekterweise hätte es heißen müssen: ›verwundet, aber im Dienst verblieben.‹ Die Royal Air Force warf eine Fünf-Zentner-Bombe mitten in das 5. Nigerianische Regiment statt auf die JAPSEN !!!«
Cait und ich drehen den Zettel um, aber mehr steht da nicht. Das Telegramm trägt nicht viel zur Lösung des Rätsels um die Hüftbeule bei. Mit Gewissheit lässt sich nur sagen, dass mein Großvater während des Krieges mindestens einmal verwundet wurde, doch ob er seine Beule einem nigerianischen Felsbrocken in Nigeria oder einem Bombardement durch die eigene Seite in Burma zu verdanken hat, werden wir nie erfahren.
1943 war mein Großvater für kurze Zeit an der schottischen Westküste stationiert, um den Minchkanal gegen deutsche Kriegsschiffe zu verteidigen. Sein Offiziersbursche kam aus Inverness, und so hatte der Krieg für die beiden für ein paar glückliche Monate beinahe etwas Familiäres – vom Spätsommer bis zum Beginn des Winters 1943 konnte der Offiziersbursche seine Leute in Inverness besuchen und mein Großvater die seinen in Waternish. Die Pächter auf der Isle of Skye nannten meinen Großvater jetzt Major Macdonald, vielleicht weil er Grandmas sanftem, kriegsneurotischem Bruder Allan so verblüffend ähnlich sah. »Für meine Eltern scheint das eine glückliche Zeit gewesen zu sein«, sagt Mum. In der sie gezeugt wurde, will sie damit sagen.
Ende 1943 kehrte mein Großvater nach Burma zurück, und meine Großmutter – in der malariafreien Kälte eines britischen Winters endlich in der Lage, eine Schwangerschaft auszutragen – verrichtete ihren Kriegsdienst in Südengland. Sie half auf einem Bauernhof in der Nähe von Southampton und war in einem großen alten Haus untergebracht, das einer wohlhabenden Witwe gehörte. Die Witwe, Catherine Angleton, hatte vom Kampf gegen den Krebs ein Holzbein zurückbehalten, »aber sie hat sich immer tipptopp angezogen, mit Strümpfen, Tweedröcken und sehr teuren Schuhen«, sagt Mum, »da hat man überhaupt nichts gemerkt.«
Als wichtiger Hafen und Industriestandort war Southampton während des Krieges ein beliebtes Ziel der deutschen Luftwaffe. Ende Februar 1944, meine Großmutter war im fünften Monat schwanger, kam es zu einem Großangriff auf die Stadt. »Angeblich habe ich bei jeder Bombe einen Satz gemacht«, erzählt mir Mum. »Ich bin einfach nicht schussfest. Deshalb schaue ich immer so säuerlich auf Fotos von Kindergeburtstagen – es könnte ja ein Luftballon platzen.« Da Luftangriffe dem Temperament ihres Fötus sichtlich nicht zuträglich waren und sie weitere Angriffe auf die Stadt befürchtete, bestieg meine Großmutter den Zug nach Waternish, um dort ihr Kind zur Welt zu bringen.
John Okongo (rechts), Burma, ca. 1943
Telegramme wurden von Skye nach Burma geschickt und setzten meinen Großvater über die Geburt seiner Tochter in Kenntnis. »In einem Brief, den er aus Burma an seine Mutter geschickt hat, schreibt er, wie sehr er sich freut, ein kleines Mädchen zu haben«, sagt Mum. »Zu Gesicht bekommen hat er mich natürlich erst, als ich über ein Jahr alt war, und kaum hatte er mich auf den Arm genommen, ließ er mich auf den Kopf fallen.« Mum kommt einem geistreichen Kommentar meinerseits zuvor: »Ja, ja, später ist so einiges auf dieses kleine Missgeschick geschoben worden.«
Aber am meisten hat mir ein undatierter Brief über meinen Großvater als Offizier verraten, den ihm einer seiner nigerianischen Untergebenen geschrieben hat. Die Beziehung der beiden dürfte deutlich enger gewesen sein, als es die verstörende koloniale Anrede vermuten lässt.
Master Huntingford,
können Sie mir bitte Ihr gegenwärtiges Befinden mitteilen? Und die Neuigkeiten aus Ihrer Familie? Ich hoffe, alle sind 50/50. Über mich gibt es Folgendes zu berichten: Wir sind nicht mehr in Sandoway, sondern in einem Township fünfundzwanzig Meilen von Rangoon entfernt. Wir haben Sandoway am 23. Dezember 1945 verlassen, um hierherzukommen. Soweit ich das sehe, ist Rangoon eine große Stadt, aber ich kann Ihnen nicht sagen, dass es eine schöne Stadt ist. Es ist vor allem ein stinkendes Loch, wo es
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