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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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einigermaßen geradeaus gucken konnte, und ritt los zur Schule, meistens ziemlich zerschunden und noch ein bisschen wacklig auf den Beinen. Die Nonnen waren wütend auf meinen Vater und konnten sich nicht vorstellen, wie jemand etwas lernen sollte, der vor dem Frühstück schon dreimal k.o. gegangen war, aber ich glaube, sie waren einfach nur miserable Lehrerinnen.«
    Nachmittags organisierten die Nonnen Tennismatches im Kloster und an den Wochenenden diverse Turniere. »Stundenlang ödes Hin und Her«, sagt Mum. »Ich hab mich immer gleich verdrückt und nicht mal einen Ball geschlagen.« Stattdessen nahm sie Reitstunden. »Zuerst bei Babs Owens. Die Frau hatte ein beängstigend bösartiges Temperament. Ihr Markenzeichen war es, sich von einem Pferd zu schwingen, über das sie sich geärgert hatte, und ihm so fest es ging ins Ohr zu beißen.« Babs wollte Mum einen steifen Reitstil beibringen, presste ihr einen Penny zwischen die Knie und den Sattel. »Wehe, ich ließ den Penny fallen – pitsch, patsch, kawumm –, dafür musste ich teuer bezahlen.« Mum schnauft. »Babs Mann Cyril war bei den Japanern in Kriegsgefangenschaft. Das wird kein Zuckerschlecken gewesen sein, aber sicher eine willkommene Abwechslung von der häuslichen Glückseligkeit mit Babs.«
    Irgendwann waren Babs’ Launen wohl auch meinen Großeltern zu viel geworden, denn sie gaben den Reitunterricht in Betty Websters Hände. »Betty habe ich bewundert«, sagt Mum. »Ich glaube, sie war so wie viele kenianische Frauen dieser Zeit. Sie lief in Cordhosen und Männerhemden herum, ganz sie selbst, robust, unabhängig und immer ein Rudel Hunde im Schlepptau.« Nane machte keine nennenswerten Fortschritte, aber Mums Liebe zum Reiten stieg ins Unermessliche. »Ich kann Pferde nicht von meiner Kindheit und Betty Webster nicht von meiner Liebe zu Pferden trennen«, sagt sie, nimmt die Hände hoch und malt ein Paar Pferdeohren in die Luft. »Seit ich zurückdenken kann, hab ich zwischen Pferdeohren hindurch auf die Welt geschaut. Das ist mein Blick. Nach vorne – nicht nach unten. Und nicht nach hinten.«
    Ungefähr ein Jahr nachdem sie ihn bekommen hatte, meldete Mum ihr Pony Nane für das Springturnier auf der Landwirtschaftsausstellung in Eldoret. »Ich glaube, wir haben uns irgendwie über drei Hindernisse gemogelt, aber als wir uns einem Hochweitsprung gegenübersahen, stemmte er die Hufe in den Boden, plusterte den Hals und bot den Zuschauern eine außerplanmäßige Rodeoeinlage für ihr Geld. Trotzdem erwarteten alle von mir, dass ich mit einem freundlichen Lächeln vom Platz ritt.«
    Am selben Nachmittag, als Mum ihre Schmach am Hochweitsprung erlebte, ritt Betty Webster bei dem Turnier ihren Lieblingswallach. »In edelster Haltung zog sie ihre Kreise, flog förmlich über alles hinweg. Direkt vor der Haupttribüne stand ein ziemlich verzwicktes Gatter. Betty musste wohl die Distanz falsch eingeschätzt oder einen Fehler beim Anreiten gemacht haben, jedenfalls touchierte der Wallach das Gatter so unglücklich, dass er beinahe einen Salto schlug und auf Betty landete.« Mum beschreibt die sich ausdehnende Stille in den Augenblicken, die auf den Sturz folgten. Alltägliche Geräusche klangen unnatürlich laut – von der Rennbahn herüber rief ein Hagedasch-Ibis, auf dem Abreitplatz wieherten Pferde sich gegenseitig an. »Bettys Wallach rappelte sich wieder hoch, aber Betty blieb liegen, sehr blass und still. Sie war nicht tot, aber ohne Bewusstsein, und an dem unnatürlichen Winkel, in dem sie dalag, konnte man erkennen, dass sie sich den Hals gebrochen hatte.«
    Das reiterlose Pferd, die Zügel locker zwischen den Beinen, galoppierte schnurstracks auf das Tor zu, ließ seine verletzte Reiterin nach dem missglückten Sprung allein. Jemand lief los und packte das Pferd. Ein paar andere kletterten über den Zaun und rannten zu Betty. Man lud sie auf die Ladefläche eines Autos und brachte sie ins Krankenhaus. »Ein junger Mann – seinen Namen weiß ich nicht mehr – nahm ihren Wallach und beendete tapfer ihre Runde«, sagte Mum. »Er muss am ganzen Körper gezittert haben, aber er hat es getan. Und er hat den Wallach auch auf den restlichen Prüfungen des Wochenendes geritten. Die Show musste weitergehen, wir alle haben das verstanden.« Mum schwieg einen Moment. »Der junge Bursche hat auf Bettys Wallach gewonnen, und am Sonntagabend hat er den Pokal zu Betty ins Krankenhaus getragen und neben ihrem Kopf auf das Kissen gelegt. Sie ist nicht wieder

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